Die Overstolzen

Overstolz siegt an der Ulrepforte

Was hat Habeck, der Vorsitzende der Grünen, auf dem Parteitag gesagt? „Macht, das ist in unserem Kosmos oft ein Igitt-Begriff, aber ‚Macht‘ kommt ja von machen.“. Hat er ja früh erkannt, der Habeck. Ein Kölner wusste das vor 800 Jahren schon. Er machte, damit der Macht bekommt und war der Kopf einer berühmten Familie: die Overstolzen. Also, bei denen weiß ich nie, warum wir uns im Fernsehen die „Tudors“ oder „Medici“ angucken, wo wir doch hier in Köln locker mithalten können und obendrein die Nachkommen auch noch unsere Nachbarn sind.

Matthias Overstolz

Matthias Overstolz hat aber auch viel zu verlieren gehabt: die Overstolzen sind, als Matthias Overstolz vermutlich um 1215 herum geboren wird, vielleicht das vornehmste Geschlecht der stinkreichen Patrizierfamilien, die mit den Erzbischöfen im 13. Jahrhundert um die Macht in Köln ringen. Matthias Overstolz, das ist belegt, war an allen Intrigen und Kämpfen gegen den Erzbischof beteiligt. Aber ging es Matthias Overstolz um Köln oder um das Vermögen, das verlorengegangen wäre, wenn er verloren hätte?

Warum heißt es „Geschlecht“ und nicht „Familie“?

Als der kleine Matthias auf die Welt kommt, ist sein Großvater, der als Stammvater des Geschlechts gilt, gerade drei Jahre tot. Das war Gottschalk Overstolz. Er war ein Gewandschneider, der es durch eine kluge Heirat, sowie sein Geschick für das Immobiliengeschäft und den Handel, reich geworden ist.

Er allein hatte acht Kinder, die von ihm erben und die acht Zweige weiterführen, so dass eine Großfamilie entsteht. Heutzutage würde man vielleicht „Clan“ sagen. Das schafft in Köln nur eine kleine Anzahl an Familien. Ich meine, das reich und viel sein.

Und eben für diese setzt sich mit der Zeit der Begriff „Geschlecht“ durch. Das sind ja ganze Bündel von Familien, die man bis auf ein Pärchen zurückverfolgen kann, wenn man den Überblick behalten könnte.

Und alle wollen sie Macht haben

Im Kern wollen die Geschlechter vor allem reich bleiben und dazu brauchen sie Macht. Macht bekommt man durch Bündnisse. So kommt es in Köln zum großen Bündnis, der Richerzeche, die sich untereinander hilft.

Die hauptsächliche Macht über Köln hat zu dieser Zeit aber der Erzbischof, der sie über Schöffen ausüben lässt. Die Schöffen werden vom Erzbischof aus der Kölner Bürgerschaft berufen. Sie sprechen Recht und haben auch die städtische Verwaltung unter sich.

Wenn man sich jetzt so verhält, dass der Erzbischof Leute aus der Richerzeche zu Schöffen beruft, kann man noch mehr Macht ausüben. Und genau das passiert. Bürger aus der Richerzeche halten bald die Hälfte der Schöffensitze und ringen dem Erzbischof ab, dass die Richerzeche Macht in der Innenverwaltung ausüben kann. Zum Beispiel haben sie schnell die Kontrolle über die Märkte in Köln – und sie wollen mehr. Sie bilden das Patriziat, sie sind Patrizier.

Eine störende Feindschaft

Wenn man jetzt an einem Strang ziehen würde, wäre es ja leichter, dem Erzbischof Macht zu nehmen und sich selbst zu geben. Aber sowas ist ja Wunschdenken. Fakt ist, dass die Geschlechter der Overstolzen und der Weisen sich nicht leiden können. Ich möchte von Feindschaft sprechen. Wie dies gekommen ist, ich kann es nur raten.

Die Overstolzen gelten zu der Zeit als das reichste Geschlecht und Reichtum ist Einfluss. Nur die Weisen stellen reichlich Schöffen. Jetzt vermute ich, dass die Overstolzen mehr mit den anderen Patrizierfamilien geklüngelt haben und die Weisen sich von Anfang an mehr mit dem Erzbischof vertragen haben, damit sie Einfluss bekommen. Dass das knallen musste, ist klar.

Der Erzbischof versucht es

…man kann sagen „immer und immer wieder“. 1252 lässt Erzbischof Konrad von Hochstaden Münzen schlagen, die nicht mehr das wert sind, was drauf steht. Eine Handelsstadt wie Köln kann sich das nicht bieten lassen. Der Streit eskaliert so weit, dass Konrad von Hochstaden die Stadt vom Rhein aus mit Brandfackeln beschießt. Der „kleine Schied“ schafft kurz Frieden. Der Erzbischof muss allerdings auf ein paar Steuern verzichten und wird beim Prägen von Münzen durch die Kölner kontrolliert. Vorne auf Seiten der Stadt mit dabei: Matthias Overstolz.

1257 hat der Erzbischof sich erholt und sucht schon wieder Streit. Er ist wegen eines Streits vor seinem Palast in der Stadt beleidigt! Das Kampffeld liegt diesmal in Frechen. Kölner Soldaten verprügeln die kurkölnischen Soldaten des Erzbischofs. Matthias Overstolz, wieder vorne mit dabei, macht einen Fehler: als die Kurkölnischen geschlagen sind, rast er so, dass er zu weit nachsetzt und gefangen genommen wird.

In der Godesburg sitzt er ein, kann aber bald fliehen. Der „große Schied“ im Juli 1258 macht eigentlich nichts anderes, als das zu bestätigen, was ist: der Erzbischof hat Macht über Köln, soll aber der Innenverwaltung nicht hereinreden. Die Zuständigkeiten werden quasi klargestellt.

Die Bürger von Köln sind aber auch mit der Herrschaft der Patrizier im Inneren nicht glücklich, was Konrad von Hochstaden im Geklüngel geschickt ausnutzt. Am Ende des Ränkespiels steht 1259, dass die Patrizier – und zuallererst Matthias Overstolz – die Ämter verlieren, die sie angehäuft haben.

Der Zustand dauert aber nur kurz. 1261 stirbt Konrad von Hochstaden und Engelbert II. von Falkenburg übernimmt. Dieser Anfänger lässt sich im Jahr darauf in der Schlacht um den Bayenturm fortjagen, in der die Kölschen das erste Mal „Kölle Alaaf“ rufen… Natürlich holt sich Matthias Overstolz mit seinen Freunden die Ämter wieder.

Im Jahr 1265 belagert Engelbert II. Köln, muss aber nach dreizehn Tagen abbrechen, weil seinem Verbündeten, dem Grafen von Cleve, die kölschen Schutzheiligen erschienen sind und ihn der Mut verlassen hat. Da hat sogar ein Bischof keine Chance, wenn Heilige im Spiel sind. Ich meine nur, man weiß doch, bevor man gegen Köln zieht, dass wir hier Schutzheilige haben? Kann es sein, dass der Schutzheilige Matthias Overstolz war und sein Heiligenschein ein Säckchen Geld? Vorsicht, dafür gibt es keinen Beleg, ich denke nur laut.

Ein halbes Jahrhundert Kampf findet ein Ende

Kurz danach prügelt Matthias Overstolz mit seinen Freunden, den Patrizierfamilien, die zu ihm halten, die Weisen blutig aus der Stadt. Die Weisen flüchten nach Bonn, wo sie sich mit Engelbert II. verbünden und mit über 5000 Kämpfern wieder gegen Köln ziehen. Die berühmte Schlacht um die Ulrepforte, die ich schon beschrieben habe, findet hier in der Nacht vom 14. auf den 15. Oktober 1268 statt. Ganz vorn mit dabei – ihr wisst es schon: Matthias Overstolz, vielleicht um die 53 Jahre alt.

Direkt beim ersten Angriff wird er schwer verwundet und weiß, dass er sterben muss. In diesem Moment richtet er sein Wort an die Kölner, die noch zögern, den Overstolzen zu helfen: Hier geht es jetzt um Köln. Bleibt Köln frei oder dienen wir Kölschen diesem Erzbischof, der gerade seine eigene Stadt plündern will? Das wirkt, auch bei seinem Sohn: Gerhard Overstolz schnappt sich seine Axt und pflügt durch die Reihen des Feindes…

Michael

Figur am Kölner Rathaus. Mathias Overstolz
Zu sehen am Kölner Rathaus.

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