Nonni aus Island

Vielleicht wird es heute etwas wenig kölsch. Und ich erzähle über einen Mann, den ich selbst kaum kenne, der mich aber seit Jahren immer wieder mal beschäftigt und dann auch fasziniert.

Vor ein paar Jahren fällt mir das Straßenschild „Nonniweg“ ins Auge. „Komischer Name“ denke ich, unternehme aber nichts weiter, um herauszufinden, warum der Weg so heißt.

Monate später machte ich Urlaub auf Island und spaziere dabei durch Akureyri. Akureyri ist, wenn man Reykjavik und die Orte, mit denen es fast zusammengewachsen ist als einen Ort betrachtet, mit 18.500 Menschen die zweitgrößte Stadt Islands. Was für uns ein Dorf ist, wirkt nach ein paar Tagen auf Island gigantisch.

Hier stehe ich abends unvermittelt vor einem Schild „Nonni-Haus“ – auf isländisch natürlich. Ich weiß nicht warum, mir war klar, dass ich hier auf etwas Vertrautes gestoßen bin.

„Nonni“ ist tatsächlich eine Kosename für „Jón“. Der Mann, nach dem die Straße benannt wurde, hieß „Jón Sveinsson“ und weil das in Europa komisch klingt, nannte er sich hier meist „Svensson“.

Hier bei Akureyri wird er 1857 als Sohn eines Amtsschreibers geboren. In diesem Haus im Bild verbringt er mehrere Jahre seiner Jugend, die er später stets als „glücklich“ bezeichnet. Aber 1869, als er zwölf Jahre ist, stirbt sein Vater. Was für eine Not! Der kleine, evangelische Nonni bekommt jedoch ein Angebot von einem französischen Adligen, seine
Ausbildung zu finanzieren, ein Stipendium. Sein Fortgehen ist für ihn eine recht mutige Entscheidung, gesteht er doch später, dass er vom katholischen Umfeld, das ihn erwartet, glaubt, dass es distanziert und „freudlos“ ist.

Es scheint nicht so zu sein. Bevor er zur Schulausbildung nach Frankreich kommt, muss er im Jahr 1870 noch ein Jahr in Kopenhagen warten, dass Deutsche und Franzosen ihren Krieg beenden. Bereits hier wird er Katholik, er konvertiert.

In Frankreich schließlich absolviert er die Lateinschule, studiert dann zunächst in Frankreich, Belgien, Holland und zuletzt in den Jahren 1888 bis 1892 Theologie in England. Hier erhält er als Jesuit als erster katholischer Isländer die Priesterweihe und lehrt daraufhin 20 Jahre in Dänemark.

Er erzählt dabei stets auch gern aus seiner Jugend auf Island und merkt, dass es viele Zuhörer interessiert. Mit 55 Jahren ist er gesundheitlich so eingeschränkt, dass er die Lehrtätigkeit aufgibt und seine Jugendgeschichte und seine zahlreichen weiten Reisen in ferne Länder aufschreibt. Noch mit 80 Jahren reist er ein ganzes Jahr nach Japan. Die Nonni-Bücher sind nicht nur für Kinder spannend zu lesen. Sein Isländisch ist mittlerweile etwas eingerostet, so dass er die Bücher auf Deutsch schreibt. Sie erscheinen im Herder-Verlag. Diese Bücher begeistern, sie machen ihn und Island bekannt und ich glaube, auch hier sagt jetzt gleich jemand „Ja, klar! Nonni! Kenne ich!“.

Im hohen Alter wird er so krank, dass er stationär behandelt werden muss. Wir schreiben bereits das Jahr 1944. Das Nahen der Westfront zwingt ihn in ständige Verlegungen von den Niederlanden nach Aachen, dann nach Eschweiler und schließlich ins St. Franziskus Hospital in Köln. Am 26. September 1944 verstirbt er hier mit 87 Jahren und wird wegen der ständigen Bombenangriffe mit kurzer Ehrung auf Melaten eilig beerdigt. Aber darum ist sein Grab heute hier in Köln und auch ein kleines Denkmal vor Sankt Bartholomäus in Ehrenfeld erinnert an ihn.

Aber warum erzähle ich, dass hier ein isländischer Buchautor verstorben ist? Und was ich an ihm jetzt spannend finde? – Wir reden von einem mutigen Jungen aus einem kleinen Ort auf einer fernen Insel. Dieser kleine Junge lässt sich trotz seiner Ängste auf das große Europa, dass ihm vollständig unbekannt ist, ein und wird hier ein großer Mann, der für die ganze Welt offen ist. Seine Heimat aber, vergisst er nie, trägt sie in die Welt hinaus und begeistert uns für Island. Da, wo er ist, ist Island nah.

Ich finde, er ist ein Vorbild. Lasst es uns auch so machen. Lasst uns Europa wagen und Kölner bleiben, Europa für Köln begeistern. Sonntag gehen wir Europa wählen.

Michael

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