
Jan von Werth, ja und die Griet, die Magd. Diese Geschichte schreibe ich Euch auch gern nochmal auf. Aber auch nur, wenn Ihr es wünscht und heute eben mal nicht.
Was mich am Jan fasziniert, ist dieser Aufstieg, der fast an einen Helden aus einem Computerspiel erinnert: durchschlagen, bis man General ist. Unglaublich, dieser Aufstieg in einer Zeit, in der die Herkunft mehr zählt, als der Verdienst. Aber von vorne:
Ein Bauerssohn, ja, das wissen wir. 1591 geboren ist er der Älteste von neun Kindern der Familie. Wo er denn geboren ist? Er ist so unbedeutend, dass die Information damals nicht von Wert ist: Büttgen bei Neuss, Kleinenbroich bei Korschenbroich, Linnich bei Jülich und etwas südlich davon Puffendorf streiten sich drum. Kennt kaum einer, also ist er im Kölner Umland geboren und damit Kölner. Fertig.
Als er fünfzehn ist, stirbt sein Vater. Musste er vorher schon arbeiten – für Bildung war kein Geld da – war er jetzt der Ernährer. Natürlich gelingt es ihm nicht so gut wie dem Vater. Die Not ist groß. Das Elternhaus muss die Familie aufgeben und sich verkleinern. Man kann sich vorstellen, welch harter Hund da heranwächst, aber ich denke, es lehrt ihn auch Verantwortung und Umsicht.
Mit neunzehn wird er Soldat der spanischen Armee und ist so tüchtig, dass er in Friedenszeiten bereits Offiziersrang hat – als ungebildeter Bauer schon eigentlich unmöglich. Wir erinnern uns: lesen und schreiben ist nicht.
1618 heißt es Katholiken gegen Protestanten, der Dreißigjährige Krieg bricht aus. Mittendrin Jan als Kürassier der katholischen Seite, wenn er auch verschiedentlich die Armee wechselt. Von der spanischen Armee zur katholischen Liga und zur kurkölnischen Armee. Sein Aufstieg ist steil.
Was das heißt? Das heißt, ein Leben lang in der Schlacht überlegen sein, fit sein, gedankenschnell, taktisch umsichtig Entscheidungen treffen, Glück haben und aber auch bereit sein, einen Kameraden in den zu Tod zu schicken, mit dem man am Vorabend am Tisch gesessen hat, wenn es in der Schlacht einen wichtigen Vorteil verschafft. Sowieso seine Skrupel hintendran stellen: schänden, verstümmeln, töten und plündern – selbst, als Befehlsgeber oder tolerierend. C’est la guerre – das ist der Krieg. Eine Armee hat ihre Bedürfnisse und nur wer seine Soldaten hinter sich weiß, hat Erfolg. Und er hat Erfolg! Geliebt von den Mächtigen auf katholischer Seite vor allem, weil der protestantische Feind ihn heillos fürchtet.
1638 wird er, als sein Pferd in der Schlacht erschossen wird, gefangen genommen. Obrist ist er zu dieser Zeit. Kardinal Richelieu höchstselbst verlangt die Auslieferung an Frankreich. Vier Jahre braucht es, bis ein Austausch akzeptiert wird – gegen einen schwedischen General!
General ist er am Ende des Krieges auch – und Graf. Adelig. Der kölsche Bauer, der in die Welt zog. 1652 kommt er am Ende seines Leben an. Lebensmittelvergiftung, vermutlich.
Aber 1883 – 231 Jahre nach seinem Tod – erringt er noch einen letzten Sieg:
1883 ist Köln preußisch und damit evangelisch regiert. Ein Zusammenschluss reicher Kölner im „Kölner Verschönerungsverein“ stellt überall in Köln Brunnen und Statuen auf, eben zur Verschönerung. Für den Alter Markt plant man eine Marien-Darstellung, die die unbefleckte Empfängnis preisen soll. Das geht nicht mit preußischen Militaristen, die ja, wie gesagt, evangelisch sind.
„Ja, liebe Obrigkeit, wir haben da auch noch einen Reitergeneral, Sohn der Stadt, sehr dekorativ, 17. Jahrhundert, ja? Militär ist genehm? Er wird auch nicht auf ein Pferd gesetzt wie preußische Kaiser.“ Wer braucht schon eine Jungfrau in diesen Zeiten… Und so steht er seit 137 Jahren vor unserem Rathaus, in stolzer Würde auf seinen Säbel gestützt: General Graf Jan von Werth. Katholisch.
Michael
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