Eine Kirche?

Hochbunker in Raderberg
Ein alter Hochbunker im Kölner Stadtteil Raderberg

Ist das die hässlichste Kirche von Köln? Es war ein Zufall, wie ich verstanden habe, was ich da immer sehe, wenn ich zum Fischgeschäft am Großmarkt gehe. Um es direkt zu sagen: das ist keine Kirche, sondern ein Hochbunker, der ein wenig so tut, als wenn er eine Kirche wäre.

Hans Schumacher

Wir schreiben das Jahr 1940, als das „Versprechen“ von Hermann Göring, dass nie auch nur ein Bomber der Alliierten bis an die Ruhr kommt, schon nicht mehr zu halten ist. Die Bomber waren schon da und man musste vor allem Arbeiter und Führung schützen – und hatte kaum etwas, das schützte.

In Köln baut zu dieser Zeit der Architekt Hans Schumacher viel. Dieser ist ein echter Rheinländer, 1891 in Bonn geboren und aufgewachsen. Sein Abitur macht er 1909 noch hier. Dann zieht seine Familie nach Kiel, wo er Arbeit beim Architekten Georg Metzendorf findet. Diese Arbeit hat er auch zu machen, als die britische Armee ihn im Ersten Weltkrieg gefangen nimmt – sie brauchen Architekten. Als er dort fortkommt, geht er eine Zeit nach Berlin und erlangt immer mehr Kenntnisse der neuen Architektur.

1923 eröffnet er ein Atelier für Innenarchitektur in Köln und ist auch für Villen in Rodenkirchen und Marienburg gefragt. Hinter anderen Architekten muss er sich nicht mehr verstecken. Er ist sehr bekannt und bekommt nach 1940 den Auftrag, Bunker für Köln zu bauen. Das muss schnell gehen!

Kirchenbunker

1942 baut er diesen Bunker hier, der so versteckt hinter den hohen Häuser der Bonner Straße und der Marktstraße am Großmarkt liegt. Hier haben sich mehr als die 2040 Menschen, für die er gedacht war, hin geflüchtet, um den Bombenhagel abzuwarten. Die Wände sind bis zu 1,80 Meter dick und drinnen ist immer noch ein Großteil der Dinge original aus dieser Zeit im Krieg. Ab und zu werden Führungen von der CRIFA, einem Verein, der sich um die militärischen Bauten in Köln kümmert, abgehalten. Man kann sich dann noch gut einen Eindruck machen, wie die Leute hier gesessen und gebetet haben, dass sie heil wieder herauskommen.

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Hochbunker in Raderberg

Der Bunker wurde auch mit Absicht so gebaut, dass er zumindest von weitem ein bisschen wir eine Kirche aussieht. Das Türmchen am südlichen Giebel, von dem aus der ganze Bunker belüftet wird, soll wie ein Glockenturm wirken. Auch das Dach, das damals noch auf der ganzen Länge ein Spitzdach ist, ist nicht typisch für einen Bunker. Man sieht, dass dort auch ein Fenster im Dach angedeutet ist. Warum? Bunker sind ja nicht zum Beten gedacht – so zynisch sind nicht mal Nazis.

Die einen sagen, es wäre so, damit die Bomberpiloten den Bunker für eine Kirche hielten und gerade nicht dort die Bomben fallen ließen. Mitleid im Krieg? So ein Bomber flog meist mehr als sechs Kilometer hoch, weil die Piloten Angst vor den FlaKs hatten. In einer dunklen Stadt kann man so eine Kirche niemals von einem Haus unterscheiden. Und warum sollten sie sich überhaupt mit dicken Mauern aufhalten, wenn sie drumherum sowieso viel mehr ganz schnell zerstören konnten?

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Andere sagen darum, dass man versucht hat, Bunker ein wenig schön zu gestalten, damit man nicht schon Angst bekommt, wenn man so ein Teil den ganzen Tag sehen muss. Dazu hat man dann erzählt, dass der Feind Kirchen verschont. Das klingt mehr nach einem Plan, so die Moral aufrecht zu halten, oder? Bis heute hält sich das Gerücht, die Alliierten hätten den Dom geschont.

Und heute?

Man sieht des dem Bau nicht an, aber seit 1980 ist er als Denkmal geschützt. „Ausgerechnet“ ein Schützenverein, der Schützenverein Köln-Bayenthal e.V., schützt ihn in Raderberg mit seinen Schießbahnen. Sie helfen der CRIFA, dass dort die Führungen stattfinden können. Das nützt doch allen – und wenn sie darin schießen, hat auch noch nie eine Kugel herausgefunden…

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Zwei andere Kirchenbunker haben wir hier in Köln noch. Beide sind von Hans Schumacher geplant worden. Der eine steht in Deutz und der andere in Mülheim. Auch diese zwei haben heutzutage einen zivilen Zweck, der es Wert ist, dass wir darüber noch schreiben.

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Nur Düsseldorf – das muss man sagen – ist an der Stelle noch kreativer: in Düsseldorf-Heerdt hat man den Begriff „Kirchenbunker“ ernst genommen und aus dem Bunker dort eine Kirche gestaltet. Stellt Euch vor, Christmette im Bunker…

Michael

Der Beitrag ist Euch nicht genug? Ihr möchtet Innenansichten? Die findet Ihr im Video hier: https://hochbunker.koeln/13/index.html

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