
Diesen Beitrag zu schreiben liegt mir schon sehr lange auf der Seele, denn er ist ein Stück Erinnerung an meine Jugend. Da ich in Roggendorf gewohnt habe, war dieser Bahnhof einer der Mittelpunkte in unserem Ort für mich. Daran erkennt ihr schon, wie trostlos das Leben dort damals war. Ein kleiner eingezäunter Bolzplatz, das war´s eigentlich schon, was für uns Jugendliche in dieser Siedlung getan wurde.
So war es ganz normal, dass ich die Züge beobachtete, die in die Stadt fuhren. Klar, Roggendorf ist auch Köln, aber mal ehrlich, davon haben wir nicht wirklich etwas gemerkt. Die City war für mich endlos weit weg und so waren die ersten Fahrten ohne Eltern ein großes Abenteuer.
Das Bahnhofsgebäude betreten, links dieses riesen Raumes war die „Schalterhalle“. Dort kaufte ich die Fahrkarte, eine kleine dicke Pappkarte, die noch richtig „abgestempelt“ wurde. In der Halle standen große Holzbänke, auf denen wir saßen und ungeduldig auf den Bahnhofsvorsteher warteten. Auch ein Automat für Süßwaren stand in dieser Halle. Im Sommer gab es sogar Außengastronomie und so konnte man gemütlich unter großen Kastanien sitzend eine Limo trinken, wenn das Geld reichte, was selten genug vorkam.
Dann, nach langer Wartezeit wurde es spannend, klar, ich hätte erst kurz vor der Abfahrt zum Bahnhof gehen können, aber ich wollte dieses Gefühl „der großen weiten Welt“ auskosten und war immer schon eine halbe Stunde früher da, um zu beobachten, diesen ganz eigenen Geruch aufzunehmen und die Ansagen zu hören.
Kurz bevor der Zug einfuhr, und ich meine Zug, nicht diese armseligen S-Bahnen, die dort heute fahren, kam der Bahnwärter, öffnete die Türe zu den Gleisen und ließ uns den „Bahnsteig“ betreten. Und jedes mal der Kampf mit der Tür. Diese zu öffnen war richtig schwer. Dafür war der Komfort im Zug wesentlich besser als heute. Außerdem war ich dermaßen aufgeregt, denn mein Ziel „in der Stadt“ war natürlich der „Saturn“ am Hansaring, für uns Jugendliche das „Paradies“. Mensch, was für Zeiten, ewig her. Und diese Ansagen. „Worringen, hier Worringen“ schallte es aus den alten Lautsprechern. Nostalgie pur. Ich wünschte, ich könnte diese Ansage noch einmal hören.
Aber nun zum Bahnhof selbst. Dieser hölzerne Bau wurde 1855 von der „Cöln-Crefelder-Eisenbahn“ errichtet, denn sie war der Betreiber dieser Strecke. Im Volksmund wurde das Gebäude, da es ein Holzbau war, auch gerne „Westernbahnhof“ genannt. Damit hatte die Bauweise allerdings gar nichts zu tun. Angeblich hat der Direktor der „Cöln-Crefelder-Eisenbahn“ solche Bauten auf einer Rundreise durch Russland gesehen. Da sie ihm so gut gefielen, ließ er einige solcher Gebäude entlang der Strecke errichten. Lange Zeit wurde in dem Bahnhof auch eine Gaststätte betrieben und sogar eine Posteinrichtung gab es hier mal. Der Bahnhofsvorsteher fungierte gleichzeitig als Posthalter.
Zu Beginn der 80er Jahre wurde dann beschlossen, diese Strecke in Zukunft als S-Bahn Trasse zu betreiben, dies war das Aus für den alten Bahnhof. Er sollte abgerissen werden, um Platz für einen trostlos-langweiligen Betonbahnhof zu machen.
Gottseidank bildete sich die Initiative „Zug um Zug e.V.“, sie kaufte den Bahnhof 1983 für den symbolischen Preis von einer Mark, baute ihn in Worringen ab und in Nippes auf einem Grundstück im EAW-Gelände zwischen 1983 und 1991 wieder auf. Das Grundstück gehört der evangelischen Kirchengemeinde. Dies liest sich jetzt erstmal sehr nüchtern, aber dahinter steckt eine tolle Geschichte und unfassbar viel Arbeit.
Der Nippeser Pfarrer Helmut Ruhrberg sorgte dafür, dass der Kirchenkreis Köln-Mitte die Trägerschaft übernahm, der Politologe Walter Schulz übernahm die Projektleitung. So wurde der komplette Bahnhof Brett für Brett, sogar mit Bahnhofsschalter, Bahnsteigüberdachung und Bahnhofsuhr demontiert und in Nippes wieder aufgebaut und steht sogar unter Denkmalschutz. Das Projekt gab Menschen Arbeit, denn es wurde durch ABM-Stellen von 19 und zeitweise sogar mehr Mitarbeitern durchgeführt. Bestimmt eine spannende Arbeit gewesen damals.
Wenn ihr euch den alten Worringer Bahnhof anschauen möchtet, ihr findet ihn in Nippes, in der Kempener Str. 135. Heute trägt das altehrwürdige Gebäude den Namen „Worringer Bahnhof -Helmut Ruhrberg-Haus“, um an den Einsatz des Pfarrers zu erinnern.
Ich danke allen Menschen, die Anteil am Erhalt dieses zweifellos außergewöhnlichen Gebäudes haben und mir damit die Möglichkeit geschenkt haben, ein Fenster zu meiner Jugend zu öffnen. Jedesmal, wenn ich in Nippes an „meinem“ Bahnhof vorbeigehe.
Euer Ronald
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