Über den Tod hinaus

Maria im Kapitol

Jede Kirche hat ihre eigene Geschichte zu erzählen. Bei meinen bisherigen Besuchen in den großen romanischen Kirchen Kölns oder natürlich auch des Domes habe ich schon einiges darüber erfahren dürfen. Aber sie haben nicht nur ihre Geschichte. Jede einzelne, in der ich war, wirkt auch auf ihre eigene Art. Im Dom zum Beispiel fühle ich schon beim Betreten ein Geborgensein, ein Nachhause kommen. Oder St. Gereon…hier nimmt mich beim Betreten des Dekagons, also des zehneckigen Kuppelbaus mit seinen Farben, Nischen und Fenstern etwas gefangen, was ich nur sehr schwer in Worte fassen kann. Einfach nur wunderschön. Groß St. Martin…von außen mächtig und erhaben, so spürte ich im eher schlichten Innenraum so etwas wie Einsamkeit und Traurigkeit.

Was mir aber in keiner Kirche passiert ist, ist das, was ich in St. Maria im Kapitol gefühlt habe. Kurz zur Kirche selbst: Sie ist die größte (früh)romanische Kirche Kölns mit einer Länge von ca. 100 Metern und einer Breite von ca. 40 Metern. „Im Kapitol“ bedeutet, dass die Basilika auf einer einst sich dort befindlichen römischen Tempelanlage erbaut wurde. Diese Tempelanlage wurde im ersten Jahrhundert n. Chr. für die in der Römerzeit bedeutendsten Götter Jupiter, Juno und Minerva errichtet. Zum Anlass des Baus nahm man die Erhebung zur Colonia römischen Rechts.

Aber weiter: Der Besuch dieser Kirche gestaltete sich für mich persönlich mehr als merkwürdig. Schon beim Eintreten bemerkte ich, dass ich mich dort nicht so wohl fühlte, wie in anderen Kirchen. Als ich dann aber durch die Kirche ging und in den hinteren Bereich mit dem Chorumgang kam, beschlich mich ein sehr unangenehmes Gefühl, ein fast schon angstmachendes, sodass ich meinen Rundgang dort beendete und die Kirche verließ. Wieder draußen, fragte ich mich natürlich, was das denn jetzt war und kam zu dem Schluss, dass ich mir das eingebildet haben muss.

Trotzdem ließ mir das Ganze keine Ruhe und ich begann, mich noch einmal näher mit St. Maria im Kapitol zu befassen. Im Zuge dessen stieß ich auf eine der Kölner Legenden und ich muss sagen, für mich die traurigste.
Wir befinden uns im Frankenreich. Aufgeteilt in drei Unterreiche, wurde jedes der drei Reiche von den mächtigsten Geschlechtern regiert. Und jeder wollte noch mächtiger als der andere sein. Morde, Hass und Verrat bestimmten alles. Selbst die eigene Familie wurde nicht verschont. War ein Vater endlich König, wurde das Reich unter den Söhnen neu aufgeteilt und die Kämpfe begannen von vorn. Auch untereinander. Der mächtigste Mann erhob sich zum „Hausmeier“, zum Majordomus, das ist der lateinische Begriff dafür. Sollte vornehmer klingen. Das aber nur nebenbei.

Im 8. Jahrhundert schließlich, der bis dahin regierende Hausmeier Pippin II. war gerade gestorben, fürchteten sich die Bürger Kölns nun vor dessen Witwe, Plektrudis. Sie, als strenge und fromme Christin, führte ein Kloster, direkt hinter dem Palast gelegen. Ihre eigenen Söhne lebten nicht mehr, und so setzte sie ihren kleinen Enkel als Nachfolger ihres Mannes ein. Bis dieser aber alt genug war, wollte sie die Herrschaft übernehmen. Dabei im Weg war ihr einzig ihr ungeliebter Stiefsohn Karl, der Sohn Pippins, der aus einer Liebschaft Pippins mit einer anderen Frau hervorgegangen war. Für die herrschsüchtige Plektrudis kam dieser Karl natürlich überhaupt nicht als Regent in Frage, obwohl dieser der direkteste Nachkomme Pippins war, also ließ sie ihn kurzerhand in den Kerker werfen. Wochen vergingen. Nur der Gedanke an ein Mädchen, welches Karl kurz, bevor er weggesperrt wurde, ein einziges Mal in der Nähe von Plektrudis gesehen hatte, gab ihm Kraft durchzuhalten, denn dieser eine Moment hatte gereicht, um sein Herz an das Mädchen zu verlieren.
Dieses Mädchen war Ida, die Nichte der Plektrudis. Dieser war der kurze Moment zwischen Karl und Ida ebenfalls nicht entgangen. Sie jedoch hatte andere Pläne mit ihrer Nichte, die auf ihr Geheiß hin von Nonnen erzogen wurde. Ida sollte dem Mann gehören, den ihre Tante selbst auszuwählen gedachte. Aber Karl saß ja im Kerker, die Gefahr war also gebannt. Oder etwa nicht? Der Kerker nämlich lag zum Garten des Klosters hin, in dem Ida sich oft aufhielt. Und so hörte sie ihn eines Tages fluchen. Sie ging der Stimme nach, suchte unter den Büschen und fand schließlich den mit Gitterstäben gesicherten Kerker.

Sie versprach, ihn zu befreien und in einem unbeobachteten Moment brachte sie ihm einen Dolch, um das schon poröse Mauerwerk um die Gitterstäbe weiter lockern zu können, und ein Seil, an welchem sie ihm half, sich nach oben zu ziehen. Er war frei.
Frei, musste aber in den Krieg ziehen, um die ihm zustehende Herrschaft zurückzugewinnen. Plektrudis, die von Ida`s Tat erfahren hatte, befahl, dass Ida zur Strafe nun selbst Nonne werden musste und das Kloster nicht mehr verlassen durfte. Karl, der Ida versprochen hatte, so schnell es geht zurückzukehren, kam nach 4 langen Jahren, und seinem Sieg zurück, um seine geliebte Ida zu holen, doch er kam zu spät. Ida, die jeden Tag im Klostergarten auf ihren Liebsten gewartet hatte, war an gebrochenem Herzen gestorben, nachdem ihre Tante ihr die Lüge vom Tode Karls überbracht hatte.

War nun mein Gefühl in dieser Kirche wirklich nur Einbildung? Denn die Gründerin von St. Maria im Kapitol war niemand anderes als: Plektrudis. Und hier lag sie einst begraben.

Habt eine schöne Woche
eure Ramona

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