
Ich habe Lust auf Hämmchen. Wo kann ich da gut hingehen? Richtig: Haus Töller. Und das bringt mich zur Geschichte eines liebenswerten Originals: „Dores met däm naaße Plagge“ – „Theodor mit dem nassen Lappen“, Theodor Töller.
Theodor Töller wird 1854 in Köln geboren. Er ist eine kleine, gemütliche Erscheinung mit spiegelnder Glatze und einem Schnäuzer.
Bereits im Jahr 1871 gründet er eine Brauerei direkt neben der Brennerei seines Vaters und schenkt sein Bier aus. Rechnen – er ist zu diesem Zeitpunkt siebzehn Jahre alt. Ich denke, sein Vater wird ihm geholfen haben. Richtig ist aber, dass er früh seinen Lebensweg gefunden hat.
Ein herzlicher Mensch ist er. Seine Gäste empfängt er mit Handschlag, nimmt ihnen die Mäntel ab, hängt sie auf, um kurz darauf ein frisch gezapftes Kölsch mit einem freundlichen „Wohl bekomms“ oder „Prosit“ zu überreichen. Mit den Jahren entwickelt er zu vielen Stammgästen eine fast familiäre Freundschaft.
Er wäre kein Original, wenn seinen Zeitgenossen nicht Eigenarten aufgefallen wären, die sie als besonders empfunden hätten: bei aller freundlichen Gemütlichkeit, ist er höchst reinlich. Die Stühle haben in Reih und Glied zu stehen. Gegenstände auf dem Tisch, wie Glasfilze oder Streichholzständer haben ihre Position, die Tische sind stets sauber geputzt.
Wehe, ein Gast stößt gegen einen Stuhl – sofort biegt er um seine Theke und rückt diesen mit leicht vorwurfsvollem Blick unter deutlich hörbarem Rucken gerade. Wehe auch dem Gast, der ein Glas umkippt – sofort ist er mit einem nassen Lappen zugegegen und beseitigt die Lache, oft nicht ohne deutlichen Spruch „Gestern hat hier auch so ein Ferkel gesessen“. Er ist so penibel reinlich, dass es ihm eben den Spitznamen „Dores met däm naaße Plagge“ einbringt. Ständig gibt es in einer Wirtschaft etwas zu putzen.
Zigaretten, die zu dieser Zeit in Mode kommen, sind sein Todfeind. Ständig aschen diese unkontrolliert herum, versauen Tische und Böden, stinken und werden anfangs von jüngeren Leuten – er nennt sie Labertaschen – oder von Älteren mit eher unstetem Leben geraucht, wie er findet. Diese Kunden bevorzugt er nicht. Er führt ein ordentliches Haus. Zu kaufen gibt es sie bei ihm nicht. Wer sie raucht, fängt sich auch gern eine Bemerkung zu diesem „Stinkkram“ ein.
Als diese aber immer mehr in Mode kommen, müssen ihn seine Stammgäste letztendlich mit Gewalt überzeugen, dass es so nicht mehr weitergeht: mittags, es ist wenig zu tun, kommen elf von ihnen in die ansonsten leere Stube. Sie bestellen elf Kölsch und elf „Halve Hahn“. Natürlich muss Theodor in die Küche und sie zubereiten. Als er wieder zurückkommt, ist die ganze Stube mit Zigarettenreklame behangen und die elf sitzen da und trinken ihr Kölsch… ein paar Tage schmollt er, dann ist das Ding geregelt.
Er ist über Jahrzehnte beliebt. Und sind wir mal ehrlich: bis auf seine manchmal unwirsche Art, ist er doch ein Muster-Wirt. Wer hat als Gast nicht gern Aufmerksamkeit und Sauberkeit? Heutzutage wird Leuten so etwas in langen Jahren der Lehre mühsam beigebracht. Was die Zigaretten betrifft, kann man sogar die Meinung vertreten, dass Theodor seiner Zeit ein Jahrhundert voraus ist.
Das Haus Töller ist voller Geschichten um ihn, als er nach vierzehn Jahren im Ruhestand, im Jahr 1926, in seiner Wohnung in Köln-Sülz stirbt.
Tja, und phantastischerweise steht dieses Haus Töller immer noch an Ort und Stelle in der Weyerstraße, in der Nähe des Barbarossaplatzes. Wenn du diese Gaststätte betrittst, siehst du doch diese aufgeräumte, saubere Ordnung, hörst das Knarzen der jahrzehntealten Dielen unter deinen Füßen und wenn dann der Kellner mit dem Hämmchen kommt, verstehst du, dass sich wenig geändert hat. Der Geist vom Theodor ist allgegenwärtig. Was heißt „der Geist“? Du hebst den Blick und auf einmal siehst du ihn vor dir. Sieh nur genau hin.
Michael
Die ausführliche Geschichte zu „Dores met däm naaße Plagge“ findet Ihr bei Reinold Louis im Buch „Kölner Originale“, Greven Verlag Köln, ISBN: 3-7743-0241-3
Hinterlasse jetzt einen Kommentar