
Aus dem Nähkästchen: Wie mache ich so einen Beitrag? Habt Ihr da Lust drauf? Ja? Dann weiterlesen.
Zuerst brauche ich einen Einfall, was ich so erzählen möchte. Es kommt vor, dass das nicht einfach ist. Schreiben will ich immer viel, nur der Beitrag, den ich schreibe, muss sich „richtig“ anfühlen. Meist kommt er aus dem Bauch. Das kann ich jetzt nicht recht erklären, aber es fühlt sich so an, als ob der Beitrag zu mir kommt. Das ist wie ein Besuch.
Wenn er nicht klingelt, kannst du ihn nicht hereinlassen. Wobei die Klingel alles sein kann: eine Nachricht im Fernsehen, eine Geschichte, die ich gelesen habe, ein Mensch, der mir in den Sinn kommt oder ich komme an einen Ort, sehe etwas und will wissen, warum das da steht. Das mag ich sogar am meisten, weil das Herausfinden, das Neue entdecken, oft so viele neue Hinweise gibt.
Am Sonntag, bei einem Spaziergang durch den Grüngürtel, komme ich zum Beispiel an diesem Kreuz auf dem Bild an. Es steht da, leicht lädiert, an der Brühler Landstraße kurz vor Höningen im Verkehr, kein Mensch zu sehen, im Hintergrund rechts der Parkplatz, da finden sich abends die leichten Mädchen ein und warten auf Kundschaft.
Das Kreuz muss bessere Zeiten gehabt haben. Für diese Stelle war es so nicht gedacht. So etwas macht mich neugierig. Aber wie finde ich das jetzt heraus?
Bildung ist, wenn man weiß, wo man nachschlagen muss. Hier habe ich Glück. Es ist ein Wegkreuz und dafür habe ich das kleine Büchlein von Christa Zingsheim „Wegekreuze und Bildstöcke in Köln“ von 1981. Das ist perfekt, um anzufangen.
Da finde ich, dass der Pächter vom „Schiffhof“ im 18. Jahrhundert das Kreuz hier in Zollstock gestiftet hat und dass der Schiffhof zum Kloster Sankt Mauritius gehörte. Dann steht da, dass es zerstört wurde und 1949 vom letzten Pächter des Schiffhofes, Matthias Kraff, wieder aufgestellt wurde, bevor er 1960 die Landwirtschaft aufgeben musste, weil er so viel Land an Grünflächen und Straßenanlagen verloren hat.
Das macht mich etwas traurig, aber ich habe Stichworte, um zu suchen und Fragen, die sich stellen. Warum heißt der Hof „Schiffhof“, wenn es hier kein Wasser gibt? Was ist da passiert, dass es den Hof nicht mehr gibt?
Jetzt ist der Zeitpunkt der Suchmaschinen im Netz. Hier findet man diesmal nicht viel. Aber einer hat doch etwas über den Schiffhof geschrieben: der Kleingärtnerverein „Am Schiffhof“ e.V. hat auf seiner Seite die Geschichte der Gegend zusammengetragen. Der Schiffhof liegt bei Höningen, welches bis in die 1980’er Jahre nur aus Höfen besteht.
Der Name des Viertels „Höningen“ kommt, obwohl hier schon Römer gesiedelt haben, aus dem Fränkischen, weil „-ingen“ auf ein fränkisches Wort schließen lässt. Es bedeutet so etwas wie „zu etwas gehören“.
Das erste Schriftstück ist aus dem Jahr 941, als Erzbischof Wigfried etwas Land dem Stift Sankt Cäcilien verschenkt. Es ist ja immer so, Land wird übertragen und die Kirche schreibt es zu der Zeit auf.
So ist es auch mit dem Schiffhof. Er ist der größte und wichtigste Hof an dieser Stelle. Er gehört der Kirche und der „Halve“, der Pächter, hat einen Teil des Ertrags an eben diese abzugeben, über Jahrhunderte.
Von Krieg, Zerstörung, neuen Aufteilungen und von der Zeit von 1860 bis 1875, als er eine Zuckerrübenfabrik war, wird auf der Seite erzählt. Und da steht, warum er so heißt: „Schiffhof“ kommt vom Wort „Scheif“ oder „Schaif“, womit Schafe gemeint sind. Damals werden hier Schäfchen gezüchtet, damit man Wolle an die Kölner Tuchmacher verkaufen kann – und Kölner Tuch war begehrt in der Welt. Ah! Damit ist das geklärt, finde ich.
Im Krieg 1945 das Übliche: eine FlAK steht im Hof, die Militärringstraße und die Autobahn sind in der Nähe. Also wird der Hof zerbombt. Matthias Kraff pachtet den Hof danach und baut ihn wieder auf und mit ihm das Kreuz.
Er bekommt von Konrad Adenauer, als dieser nach dem Zweiten Weltkrieg kurz das Oberhaupt der Stadt ist, den Auftrag, den Grüngürtel im ganzen Gebiet von Müngersdorf bis Rodenkirchen wiederaufzubauen.
Das ist kein schlechtes Geschäft. Aber 1957 muss man auch das Land aufgeben und den Grünflächen zuschlagen, das direkt zum Hof gehört. Und ein großer Teil vom letzten Rest wird Matthias Kraff für Kleingärten abgenommen, so dass der Hof nach Jahrhunderten aufgeben muss.
Da hab ich aber Glück, so viel Fakten auf einmal. Das ist genug für eine Seite und spannend ist es ja auch, oder? Welche Quelle haben sie? „Zollstock, wie es war und wie es wurde“ von Josef Rosenzweig.
Das klingt zuverlässig. – Wenn die Quelle nicht stimmt, merken die Kölner das. Aber das hier kann man schon nehmen, um eine nette Geschichte zu schreiben. Das Büchlein muss ich mir übrigens bei Gelegenheit mal genau angucken. Das steht bestimmt in der Bibliothek der „Akademie för uns kölsche Sproch“.
Liebe Leute, mehr ist das echt nicht. Ich bin kein Wissenschaftler, nehme mir aber gern ein paar Stündchen, um zu recherchieren, damit ich etwas über meine Heimatstadt lerne und suche mir ein paar Wörtchen, um es aufzuschreiben. Ein Kreuz am Weg als Anstoß, ein Foto, etwas suchen und schreiben. – Wisst Ihr was? Sowas könnt Ihr auch. Versucht es mal…
Michael
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Und heute auch wichtig: die Seite des Kleingärtnervereins, die das Wissen um das Veedel so fein zusammengeschrieben hat: http://www.amschiffhof.de/index.html
Für mich ist das Liebe zum Veedel.
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