
Heinrich Lindenborn – ein etwas anderes Kölner Original- Ich wette, ihr habt noch nie etwas von ihm gehört. Lindenborn gehört nicht zu den ganz bekannten Originalen und er war auch nur bedingt ein seltsamer Kauz, wie viele andere damals auf den Kölner Straßen. Auch ich hatte bis vor kurzem noch nie etwas von ihm gehört. Aber nach wieder einmal erfolgreicher Jagd nach alten Büchern hatte ich vor einiger Zeit ein echtes Schätzchen in Händen. Es war das Buch „Kölner Originale von Josef Bayer aus dem Jahr 1912”. Und daraus möchte ich euch heute eine Geschichte erzählen.
„Es begann ganz normal“
Die ersten Jahre in Jugend, Schule und Studium waren nicht außergewöhnlich. Heinrich, geboren am 26.07.1706 in Köln, wuchs in einer eher ärmlichen Großfamilie mit weiteren 10 Geschwistern auf. Der Trend bei ihm ging eindeutig in die Richtung Pastor oder ähnliches. Damals eine gute Wahl, denn damit war das Einkommen gesichert, was in diesen Zeiten ja auch überleben bedeutete. Mit 13 besuchte er das Jesuitengymnasium und vier Jahre später wechselte er an die philosophische Fakultät an der Kölner Uni. Dann, irgendwann änderte er seine Meinung und begann juristische Themen zu studieren. Hier legte er auch sein Examen ab.
„Nun schert Lindenborn aus“
Damit hatte er jetzt seinen Doktor in der Tasche und gute Zukunftsaussichten. Man bedenke die Zeit, wir befinden uns in „siebzehnhundertholzschuh“, was anderes also als heute. Aber der junge Lindenborn hatte keinen Bock auf feste Arbeit, dabei war er eigentlich nicht faul, er wollte nur nicht den üblichen Weg gehen, wollte seine Freiheit behalten. Zur damaligen Zeit unfassbar. Dies alleinmachte ihn schon zu einem Sonderling. Er führte nun das Leben eines Schriftstellers, eines armen noch dazu.
Zumindest hatte er jede Menge Fantasie, es gelang ihm, sich ein sehr breites Themenfeld aufzubauen. Egal ob Gedichte, Satiren, Kinderlieder, Zeitungsartikel zu verschiedensten Themen, er war sehr belesen, gebildet und lieferte richtig gute Sachen ab. Aber eben nur, wenn ihm der Sinn danach stand. Wenn er Lust hatte, konnte er seine Glückwunschverse, die viele Menschen von ihm kauften, in Minutenschnelle verfassen. Damit konnte er seinen Lebensunterhalt bestreiten und das reichte ihm. Karrieresinn oder Ehrgeiz gingen ihm ab.
„Begegnung mit einem Fan“
So kam es, wie es kommen musste. Lindenborn war bekannt und auch geachtet. Zwar verstanden die Menschen ihn wohl nicht, aber seine Arbeiten hatten regelrechte Fans, wie man wohl heute sagen würde. So besuchte ihn einmal jemand, der sich an seinen satirischen Schriften erfreute und diesen begabten Schreiber unbedingt kennenlernen wollte. Also bekam er die Adresse heraus und besuchte ihn.
Doch was er sah, schockierte den Mann regelrecht. Erst stand er vor einem heruntergekommenen Haus, dann musste er eine fürchterliche Stiege erklimmen, denn Lindenborn „hauste“ unterm Dach. Und was er im Wohnraum sah, machte ihn schier fassungslos. Ein altes Bett, ein Tisch und zwei klapprige Stühle und einen Pudel auf einer Decke vor dem Bollerofen, das war alles. Mehr gab es hier nicht. Natürlich sprach er den Künstler völlig schockiert an:
„Mein Herr, so kann ein begnadeter Künstler wie sie doch nicht wohnen“, sagte er. „Warum nicht“, entgegnete Lindenborn, „Ich habe hier alles, was ich brauche. Stuhl und Tisch zum Arbeiten, ein Bett und mein Pudel nimmt gerne mit dem Platz am Ofen vorlieb“. Der Gast aber fragte weiter: „Aber wo bringen Sie denn all ihre Bücher unter, die Sie zum Schreiben brauchen?“, fragte er. „Wo ist ihre Bibliothek untergebracht?“. „Auch die ist bei der Hand und nicht eben zu verachten“ sagte Lindenborn, und holte drei Bücher unter dem Bett hervor. Eine Bibel, einen Horaz und einen Folianten, der die Werke des Plato enthielt. „Bücher genug, um vernünftig denken zu lernen“
„Verschiedene Jobs wechseln sich ab“
Er wurde später Zeitungsredakteur, konnte sich dabei wunderbar entfalten und seine satirischen Schriften unter das Volk bringen. Seine Arbeitsweise aber war seltsam. Jeder der schreibt, ist dankbar für Ruhe und zieht sich gerne zurück, nicht so unser Künstler. Er machte genau das Gegenteil.
Er brauchte Geräusche und Lärm um sich herum. War es einmal ruhig, wusste er sich auf sonderbare Weise zu helfen. Er baute sich seine eigene „Lärmquelle“. Am Gebälk hing eine Schelle, diese war mit einer Kordel mit seinen Füßen verbunden und so hielt er diese beständig in Bewegung beim Schreiben. Ich persönlich würde dabei wahnsinnig werden.
Später, er hatte inzwischen geheiratet, fragte ihn einmal ein Freund, wo denn die Schelle geblieben sei. Seine Antwort: „Er habe sich jetzt anstatt einer leblosen Schelle eine lebendige zugelegt, die von selbst Getöse genug mache“, dabei zeigte er auf seine Frau (der Autor dieser Zeilen sagt da jetzt lieber nichts zu).
„Ein gern gesehener Gast“
Lindenborn war natürlich auch ein guter Unterhalter, gerade wegen seiner ausgeprägten satirischen Ader. So wurde er gerne eingeladen, weil sich die Leute gute Unterhaltung von ihm erhofften. Aber er konnte auch anders. Es gab auch den stillen Lindenborn.
So hatte ihn einmal ein reicher Herr zu seinem Bankett eingeladen, er dachte auch, Lindenborn werde das auflockern, aber Pustekuchen. Dieser war still, geradezu in sich gekehrt. So füllte der Gastgeber ein Glas mit teurem Wein, nahm seinen seeehr wertvollen Ring vom Finger und legte diesen ins Weinglas. Dieses Glas schob er Lindenborn zu. Dann sagte er: „Herr Lindenborn, auch der Ring sei Ihnen, wollen sie uns nicht mit ein paar Versen erfreuen?“. Lindenborn stand auf, nahm das Glas und sagte:
„Zwei Sorten Götter konnten sich zusammen nie vertragen, drum scher sich Mammon fort und Bacchus in den Magen“.
Dann nahm er den Ring aus dem Glas, warf ihn auf den Tisch, leerte das Glas und ging.
Später wurde ihm in Düsseldorf die Stelle eines kurfürstlichen Sekretärs angeboten. Lindenborn aber schlug aus, er wollte seine Freiheit nicht hergeben. Später zog er mit seiner Familie nach Bonn, dort starb er am 21.5.1750 an der Schwindsucht.
Tja, diesmal ein Original, das so gar nicht in die übliche Schublade passt, und doch ein hochinteressanter Mensch. Ich hoffe, die Geschichte hat euch gefallen.
Bleibt neugierig und aufmerksam Euer Ronald.
Diese Geschichte habe ich im Buch „Kölsche Originale“ von Josef Bayer gefunden und euch frei erzählt. Das Büchlein ist klasse und hat noch einige wunderbare Geschichten, ein paar davon werde ich nach und nach erzählen, so wie die Geschichte des Baron von Hüpsch. Seid gespannt.
Ein weiterer Beitrag über ein Kölner Original:
Schöne Geschichte, habe ich sehr gern gelesen. An dem sollte man sich ein Beispiel nehmen und sich nicht verbiegen lassen.