
Wir Kölsche sind ja gewitzt und können gut handeln, aber fleißig? Also mir ist das zu mühsam. Was wir aber mit dem Heiligen Reinold gemacht haben, das finde ich schon etwas übertrieben. Ich erzähle es euch:
Die Geschichte spielt in der Zeit, in der Karl der Große König war. Das ist von 768 bis 814, sagen wir, im frühen neunten Jahrhundert befinden wir uns hier. Der Heilige Reinold ist ein Ritter, also von Adel, der einen Streit, der mit Waffen eben gegen Karl den Großen ausgetragen wird, verliert. Hier und da liest man, dass er sogar ein Neffe vom großen Karl ist. Dagegen spricht, dass die Sage sagt, dass er ein Sohn von Haimon von Dordon ist, aber der war kein Bruder von Karl und die Schwester von Karl, Gisela, hat ja nie geheiratet. Deswegen kommt mir das etwas komisch vor. Dafür aber spricht, dass er, Reinold, den Konflikt überlebt und in der Folge niemals mehr eine Waffe führen will.
Was er im Anschluss genau macht, wissen wir nicht. Es gibt da auch unterschiedliche Aussagen zu. Gewiss ist, dat er vom Bau eines Domes für den heiligen Petrus in Köln hört – unserem alten karolingischen Dom – und nach Köln kommt und beim bauen hilft. Und genau da fängt es an mit der Heiligkeit!
Er ist tüchtig. Er schafft am Tag für vier oder fünf Männer, teilt noch sein letztes Stückchen Brot mit den Hungernden und schnitzt den Kindern in seiner Freizeit Spielzeug. Ist das lieb? Ja, das ist so lieb, dass es heilig ist. Sein Spitzname ist „der fromme Petersmann“. Mist nur, wenn deine Alte dir den alle naslang vorhält und sagt, dass du ein fauler Hund bist. Blöd, wenn du nach Feierabend deine Ruhe haben willst. Als Kollege ist so ein Mann einfach nicht zu gebrauchen. Erst recht nicht, wenn er dir auf der Baustelle immer sagt, du könntest ja auch etwas schneller arbeiten, damit der Dom schneller fertig wird. Wenn so ein Mann auch noch dein Vorarbeiter wird, weil er so tüchtig ist und damit auch noch das Recht bekommt, dich anzutreiben, musst du etwas tun, damit du deine Ruhe wiederfindest. Und es findet sich auch ein Grüppchen von Lumpenkerlen, die es anpacken: sie erschlagen ihn und werfen ihn in den Rhein.
Kurz darauf gibt es eine merkwürdige Stelle im Rhein, die abends leuchtet und man hört dabei einen schönen Gesang. Gegen Mitternacht verschwinden das Leuchten und der Gesang immer wieder. Das geht so über Wochen und keiner traut sich nachzusehen, was da wohl ist. Dann, eines Tages, sieht eine alte Frau, die schon lange Zeit dahinsiecht und mit Schmerzen im Bett liegt, einen Engel. Der Engel sagt, dass sie sich zum Rhein bringen lassen und sehen soll, was sie da findet, wenn sie gesund werden will. So kommt es, dass endlich jemand nachguckt, was da unten ist. Natürlich ist es der tote Reinold und als die Leute dies erkennen, fangen in Köln die Glocken zu läuten an. – Klar, dass er kurz darauf heiliggesprochen wird.
Wenn Ihr jetzt auf die Bilder guckt, die es heute hier zu sehen gibt, fragt Ihr Euch, wo das wohl ist, hier in Köln. Nein, nein, für diesen Beitrag, da musste ich bis nach Dortmund fahren, um Bilder zeigen zu können. Und das wiederum kam so: um die vorletzte Jahrtausendwende, schaffen es sogar die barbarischen Westfalen irgendwie in Dortmund Steinhäuschen und eine Kirche zu bauen. Man kann sagen, Dortmund wird da vom Dorf aus Holzhütten langsam eine Stadt. Zu der Zeit will man aber auch Heilige in einer Kirche haben, die Dortmund nicht hat. Also, einen Heiligen, die Kirche ist ja neu. Nun wissen sie aber, dass wir weit mehr als 11.000 hier haben und fragen, ob sie eine Reliquie haben können.
Da ist was los, in Köln! Der Bischof von Köln zu der Zeit, Anno II., überlegt hin und her, wen er abgeben könnte und will der Dortmunder Gesandtschaft schon sagen „keine“, als ihm der goldene Schrein des Heiligen Reinold erscheint. Da ist die Sache klar, der Heilige Reinold bietet sich selbst an, nach Dortmund zu gehen.
Ihr findet, dass das alles nicht zu glauben ist? Dass diese Sage viel zu dick aufgetragen ist, um wahr sein zu können? Wartet ab! Reinold wird also ein seinem Schrein über den Rhein gebracht und in eine Kutsche gelegt. Als er in der Kutsche ist, will man noch Pferdchen vorspannen – denkste! Dazu kommt es nicht erst. Die Kutsche setzt sich direkt in Bewegung und hält erst in Dortmund wieder an…
So kommt es, dass der Heilige, der in Köln gewirkt hat, hier nirgends mehr zu finden ist. In Dortmund aber haben sich noch viele Wunder begeben, so dass er der Stadtheilige ist. Aber da wollen wir Kölschgänger nicht einem Pilsgänger die Geschichte stehlen. So weit kommt es noch.
Im Bild ist die Reinoldi-Kirche von Dortmund zu sehen. Da ist er zuerst. Als dann Martin Luther kommt und die Dortmunder zu Protestaten macht, wollen sie den Heiligen Reinold nicht mehr haben. Der katholische Patrizier Albert Klepping bekommt die Knöchelchen in die Hände und schenkt sie dem Dompropst von Köln. Und wie auch immer, am Ende finden sie sich 1616 in Toledo in Spanien wieder.
Und jetzt kommt es! Im Jahr 1982 sind die Menschen in Toledo so nett und teilen einen Unterschenkelknochen der Länge nach und schicken das Teil nach Dortmund zur Reinoldi-Kirche, damit diese auch wieder etwas hat. Da sagen sie „Nein! Wollen wir nicht.“! Ich staune nicht schlecht, als ich in Dortmund vor der verschlossenen Türe von Sankt Reinoldi stehe, mir die Frauen im Büro an der Kirche erzählen, dass die Knochen gar nicht dort sind und die Kirche heute zu ist, so dass ich euch nicht mal die einzige mir bekannte Figur in ganz Dortmund und Köln fotografieren kann, die da drin ist…
Ich heule, dass sie den Stadtheiligen so mies behandeln, wie mir einfällt, dass es ja auch noch Katholiken in Dortmund geben muss. Und was soll ich sagen? Die können helfen! In der Propsteikirche in Dortmund, die hier auch zu sehen ist, da liegt der Unterschenkelknochen vom Heiligen Reinold.
So, jetzt habt ihr auch mal gehört, wenn man in Köln zu viel arbeitet.
Michael
Teilt gern, wenn Euch der Beitrag gefällt. – Und bleibt neugierig.
Die Reinold-Sage habe ich im Buch „Kölnser Sagen“ von Goswin Peter Gath, Greven Verlag, Köln, gefunden. Dort könnt Ihr sie noch ausführlicher nachlesen und viele andere Sagen entdecken. ISBN 978-3-7743-0220-4
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