
Wer bitte, baut eine Schalterhalle für eine Kreissparkasse so riesig? Über diese Geschichte stolpere ich in einem meiner Lieblingsbücher „Kölner Originale“ von Reinold Louis.
Das habt ihr jetzt richtig kombiniert. Ein Kölner Original baut einen Saal, der es von der Größe locker mit dem Gürzenich aufnimmt – und das war immer das Ziel dieses „Originals“.
Johann L. Dickopf ist 1820 geboren und ein Imigrant aus Sinzig im Landkreis Ahrweiler. Sein Vater ist bitterarm und so zieht Johann schon in jungen Jahren nach Köln. Er arbeitet hart. Werktags arbeitet er bis zu zehn oder zwölf Stunden in der Schreinerei von Johann Wego und sonntags in Johann Eiser’s Ball-Local in der Komödienstraße 34. Früh formuliert er seinen Wunsch: ein Lokal der Superlative. Und so spart er Silbergroschen um Silbergroschen.
Gut, wir wissen, dass man als Arbeitnehmer nicht reich wird. Aber manchmal hilft der Zufall, oder Kalkül? Er heiratet Gertrud Wego, die Tochter seines Meisters, die immerhin 15 Jahre älter ist. Die andere Tochter, Maria Eiser, wurde früh Witwe und verkaufte ihm günstig den zweitgrößten Tanzsaal Kölns. Jetzt hatte er eine Basis zum Wirtschaften.
Damit gibt er sich aber auch nicht zufrieden und kauft mit seiner Frau zusammen im Jahr 1855 einen Gebäudekomplex an der „Alten-Mauer-Str. 4“ namens „Gertrudenhof vulgo Geistensterz“. Also die Bedeutung musste ich mir als Nicht-Lateiner erstmal erarbeiten: „Gertrudenhof“, ist klar, kommt vom Kloster, dass sich hier mit dem Hospital St. Agnes befand. Das Wort „vulgo“ mag ich mit „genannt“ übersetzen und „Geistenstertz“ mit dem „Geißenstätz“, also Ziegenschwanz. Bitte, fragt mich nicht, wie man auf diesen Namen kommt. Aber genau dieser Komplex aus Wirschafts-, Wohn- und Restaurationsräumen sowie Hof und Garten befindet sich am Neumarkt bei St. Aposteln.
Hier baut er sein Lokal der Superlative. Der Tanzsaal wird zum Paradiesgarten: Orangen- und Zitronenblüten, Dattelpalmen, exotische Vögel, Winzerlauben als intimer Rückzugsort und Fontänen, die Eau de Cologne versprühten. Er verwöhnte seine Gäste mit Gänseleberpastete, Hummer aus Norwegen, Escargots, Froschschenkelchen, Langusten aus Marokko, Bärenschinken aus Russland und was man sich sonst noch vorstellen kann. Und er hatte Erfolg.
Der Erfolg was so groß, dass er bereits im Jahr 1857 den Grundstein für den Saal einer wieder neuen Superlative legt. Einem Anbau, der ihm gestattete, zusammen über 6000 Gäste zu bewirten. Und jetzt wird die Geschichte phantastisch: Gäste sichten am 2. Juni 1858 den Donatus-Kometen direkt über dem „Geistensterz“. Der tauchte tatsächlich an diesem Tag dort auf, das ist kein Scherz. Unsere Nachfahren werden diese Aussage im Jahr 3737 kontrollieren! Johann Dickopf, ein Entertainer und um keine Idee verlegen (ich habe gerade irgendwie immer Stephan Raab vor Augen), reagiert fix. Das Lokal wird vom „Getrudenhof vulgo Geistensterz“ zum „Im großen Kometen“ umbenannt. Der neue Saal hieß natürlich „Kometensaal“ und wird am 6. November 1858 eingeweiht. Zum rauschenden Fest befindet sich ein Komet von 40 Fuß Länge in ihm. Das mögen 14 Meter Kometenschweif sein.
Leider verstirbt Johann Dickopf früh mit 45 Jahren am 11. Mai 1865 an Leberzirrhose, der Berufskrankheit der Wirte. Er war der einzige, der diese spektakuläre Lokalität erfolgreich bewirtschaftet hat. Das Lokal wechselte fortan oft den Besitzer und ging schließlich unter.
Aber den alten Saal kann man noch bewundern. Nicht in der Pracht, denn heute ist es eben die Schalterhalle der Kreissparkasse, aber wenn man die Weite des Raumes erblickt, hinter den Türen kurz verharrt, die Augen schließt und tief einatmet, dann ist er plötzlich auch wieder da, der Duft nach Eau de Cologne. – Guckt mal nach dem Beitrag von Ronald am Donnerstag.
Dankeschön, Kreissparkasse!
Michael
Das unglaublich wertvolle Buch von Reinold Louis „Kölner Originale“ ist im Greven-Verlage erschienen.
ISBN 3-7743-0241-3
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