
So, so, nachdem klar ist, dass unsere Sprache Heimat ist, halten wir nun fest „Das Herz schlägt im Viertel“. Die standen am Montag ja Kopf, weil die neue Karnevalssession begonnen hat. „Da lachst du dich kaputt!“ – was eine Freude.
Aber das Motto klingt, wenn ich mir angucke, was so auf den Straßen los ist, ja schon ein bisschen nach einem verzweifelten Hilferuf. Ein Großaufgebot an Polizei marschiert auf, schon Tage vorher sieht man Absperrungen, Drängelgitter, Toilettenwagen und Urinale überall. Die Viertel sind ja voll von jungen Leuten, die das „Trinkst du einen mit?“ mehr leben, als dass sie das fehlerfrei schreiben können. Die andere Seite denkt „Was soll der Quatsch?“, das hat doch nichts mit Karneval zu tun! Die nutzen unser Brauchtum, um sich sinnlos zu besaufen und am Ende liegt hier alles in Schutt und Asche. Wo ist da das Viertel?
Und überhaupt, unser Karneval auf der Straße, da gilt „Macht es gut, aber nicht zu oft“. Sie kommen mit dem Vollrausch am 11.11. ja gerade aus dem „Verrückt im Sonnenschein“. Die Jugend heutzutage, übertreibt die Feierei bis der Arzt kommt. Karneval auf der Straße ist nur einmal im Jahr von Weiberfastnacht bis Veilchensdienstag und nur da zieht man mit der dicken Trommel durch das Viertel. So ist das und anders darf es auch nicht sein. Fertig. Aus.
Aber „Was willst Du machen?“. Nutzt uns das „Kennen wir nicht, brauchen wir nicht, fort damit“ irgendetwas? Ich glaube nicht. Und wenn wir ehrlich sind, wir alle, die das hier lesen, sind wir doch die, die den 11.11. so groß gemacht haben. Oder kann sich hier jemand erinnern, wie da am 11.11. ein kleines Grüppchen sich vergnügt auf dem Ostermann-Platz auf den Karneval gefreut hat? Wir sind doch die „Generation Alter Markt“. Wir waren doch die ersten, die aus der kleinen Tradition ausgebrochen sind und den 11.11. in die Welt herausgetragen haben. Da zeigt doch die „Ostermann-Generation“ jetzt mit dem Finger auf uns. Aber sind wir denn schlechte Menschen und halten den Karneval nicht in Ehren? Nein, wir lieben ihn und feiern kräftig – so wie wir können, jeder nach seiner Fasson.
„Es bleibt nichts, wie es war“ und das schon seit 2000 Jahren. Veränderung ist Leben und was lebt, besteht fort. Es ist doch so! Was wäre, wenn die Jugend sagen würde, der Karneval wäre ihr zu langweilig und würde weg bleiben? Das wäre doch erst recht Mist! Und genau das geschieht ja gerade nicht.
„Was fort ist, ist fort“ stimmt ja auch nicht immer ganz. Was mir ehrlich leid tut, ist, dass Sankt Martin in diesem Trubel keinen Platz mehr findet. Das hat ja lange Zeit nebeneinander funktioniert. Aber jetzt den Mantel teilen und mit einem Pferd durch die Straßen ziehen, ist vielleicht etwas gefährlich. Macht ja auch kaum noch einer. Aber „es ist noch immer gut gegangen“ – auch für ihn. Sankt Martin sucht sich seinen Platz um den Namenstag herum – und findet ihn da ja auch. Er ist nicht „fort“ sondern „woanders“. Das sagt ja auch eine Frau zu ihrem Partner, wenn sie sich wieder mal neue Schuhe gekauft hat: „Das Geld ist nicht weg, es ist nur woanders“. Nur das Singen ist irgendwie weg. Aber das liegt nun nicht am Karneval!
„Es kommt, wie es kommt.“ Diese kleine Ohnmacht, die hinter dem Sätzchen steckt, die ist doch normal. Wer weiß das nicht? Wir Kölner doch sowieso. Aber irgendwie wünsche ich mir, dat ich noch mitbekomme, wie die, die jetzt den Lärm machen, sich wundern, wie die nächste Generation „ihren“ Karneval verändert. Dann werde ich stillvergnügt grinsen – aber ganz breit.
„Es ist ja, wie es ist.“ Es gibt Gesetze, die gelten einfach immer. Lasst uns nicht schimpfen, sondern lachen, schunkeln, bützen und ein Kölsch trinken – in unserem Viertel, wo das Herz schlägt.
Michael
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