Begegnung – Peter Füssenich, Dombaumeister des Kölner Domes

Dombaumeister Peter Füssenich

In meiner „Begegnung“-Reihe hatte ich vor kurzem die Freude und die Ehre, einen Menschen kennenlernen zu dürfen, dem der Kölner Dom nicht nur sehr am Herzen liegt, sondern dessen Berufung es ist, alles dafür zu tun, dass der Dom erhalten bleibt: Herrn Dombaumeister Peter Füssenich. Ich sage bewusst Berufung, denn die Fürsorge um diese unsere wundervolle Kathedrale ist viel mehr als nur Beruf.

Geboren wurde Herr Füssenich am 19. Januar 1971 in Bonn. Seinem 2001 erfolgreich abgeschlossenen Studium der Architektur an der ehemaligen Technischen Hochschule Köln (heute Fachhochschule Köln) schloss sich ein Aufbaustudium am Institut für Baugeschichte und Denkmalpflege an. In seiner Abschlussarbeit beschäftigte sich Herr Füssenich mit der Kölner Domplombe. Nach seinen Tätigkeiten als Baureferent am Kölner Generalvikariat und Referent vor der kirchlichen Kunstkommission bei liturgischen Umgestaltungen von Kirchen, wurde er im Juli 2012 Nachfolger des im April 2012 verstorbenen stellvertretenden Dombaumeisters Bernd Billecke. Seit Januar 2016 ist Herr Füssenich Dombaumeister am Kölner Dom.

Wie bereits bei meinen ersten beiden Begegnungen mit Herrn Dompropst Gerd Bachner und der ehemaligen Dombaumeisterin, Frau Barbara Schock-Werner, wurde ich auch dieses Mal auf das Herzlichste empfangen. Wie glücklich und stolz ich bin, dem Dombaumeister, und somit einem weiteren Nachfolger Meister Gerhards, des ersten Dombaumeisters des Kölner Domes, meine Fragen gestellt haben zu dürfen, bedarf, glaube ich, keiner weiteren Erwähnung.

Die erste Frage, die ich Herrn Füssenich stellte, war, wie es sich anfühle, in die Fußstapfen Meister Gerhards und so vieler, die nach ihm kamen, zu treten. Er sagte, dieses Amt mache ganz schön demütig, sei man sich doch bewusst, dass man nur einen kleinen Teil eines großen Ganzen fertigstellen könne und alle nachfolgenden Arbeiten an die nächsten Generationen weitergeben müsse.

Im Gegensatz zu der eigentlichen Arbeit eines Architekten, der Herr Füssenich ja auch ist, die nach Planung und Bauphase mit der Fertigstellung eines Bauwerks endet, endet die Arbeit am Kölner Dom nicht, denn fertig wird dieser nie. Zum Glück, muss ich sagen, denn wir alle kennen ja das Sprichwort, das besagt, was passiert, wenn der Dom fertig ist …

Neben dem Gefühl der Demut, sagte Herr Füssenich, mache es aber auch sehr froh, an einem solchen Generationenprojekt mitwirken zu dürfen.

Womit wir wieder bei der „Berufung“ wären, denn ich persönlich glaube, dass dieses Amt des Dombaumeisters nur sehr wenige besondere Menschen erfüllen können. Menschen, die bereit sind, ihr ganzes Tun und Schaffen in den Dienst des Domes zu stellen, denn von normalen Arbeitszeiten und einem gewöhnlichen Arbeitsalltag ist man hier weit entfernt. Im Grunde ist unser Dom wie ein kleines Kind, das ständig unsere Liebe, Pflege und Zuwendung braucht.

Wie aber sieht der Arbeitstag eines Dombaumeisters eigentlich aus, wollte ich wissen. Diese Frage war gar nicht so pauschal zu beantworten. Letztlich kommt es neben den Planungen und Kontrollen der Dom-Baustellen, zahlreichen Dienstbesprechungen, unter anderem auch mit dem Dompropst, Konferenzen mit den verschiedenen Abteilungen der Dombauhütte, den Kontakten mit der Feuerwehr (diese führt regelmäßige Begehungen am Dom durch), immer wieder auch zu unvorhergesehenen Ereignissen, wie zum Beispiel Sturmwarnungen, auf die aus Sicherheitsgründen schnell reagiert werden muss. Die Arbeitsabläufe in der Dombauhütte mit ihren 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern müssen koordiniert werden und regelmäßig findet ein Baustellenrundgang statt, an dem auch Herr Füssenich und sein Stellvertreter teilnehmen, um nach den Fortschritten der Restaurierungsarbeiten zu schauen und um notwendige Entscheidungen auch an Ort und Stelle treffen zu können. Zu all diesen Tätigkeiten gehören wiederum die Vor- und Nachbereitungen.

Ab und zu stehen auch Vorträge auf dem Programm, zu denen unser Dombaumeister eingeladen wird, bei denen er von der Arbeit am Kölner Dom berichtet, denn auch Öffentlichkeitsarbeit und Werbung für die Arbeit der Dombauhütte gehören dazu. Ihm persönlich ist es sehr wichtig, die Menschen daran teilhaben zu lassen, was am Dom passiert, was für den Dom notwendig ist. An dieser Stelle wies Herr Füssenich auf den einmal im Jahr, immer im September, stattfindenden „Tag des offenen Denkmals“ hin, an dem die Dombauhütte in Form eines Tages der offenen Tür mitwirkt, bei dem man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Dombauhütte bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen kann. Dieses Jahr findet der Tag der offenen Tür am 7. September statt. Dort wird noch immer nach der Arbeitsweise des Mittelalters gearbeitet, teils mit traditionellen Werkzeugen, aber natürlich auch mit moderner technischer Hilfe wie Laser oder Druckluft.

Und weil die Arbeit der Dombauhütten so immens wichtig ist, war Herr Füssenich Anfang Februar in Paris, um gemeinsam mit 17 weiteren europäischen Bauhütten einen Antrag zur Aufnahme in die internationale UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes einzureichen. Ziel eines solchen Eintrages ist es, das Bauhüttenwesen im öffentlichen Bewusstsein als bewahrenswerte kulturelle Ausdrucksform zu verankern, bei der traditionelle Handwerkstechniken von Generation zu Generation weitergegeben, aber auch weiterentwickelt werden.

Auf meine nächste Frage, welche Ziele er während seiner Dienstzeit am Kölner Dom verwirklichen wolle, antwortete Herr Füssenich, der Dom gebe die Ziele im Grunde selbst vor. Seine Aufgabe sei es, den notwendigen Arbeiten am Dom Prioritäten zuzuordnen und sie dann nacheinander abzuarbeiten. Ganz wichtig seien in den nächsten Jahren und Jahrzehnten – ja, so weit muss vorausgeplant werden, auch wenn dann schon sein Nachfolger am Werk sein sollte – die Arbeiten am Strebewerk. Dort sind noch immer viele Kriegsschäden zu beseitigen, aber auch Umweltschäden aus den letzten Jahrzehnten, sogar bis ins 19. Jahrhundert zurückgehend, denkt man einmal an den Ruß der Dampfloks, um nur einen Grund für Verschmutzungen zu nennen.

Eine weitere Aufgabe sind die großen Baustellen an den beiden Türmen, wo Erneuerungsarbeiten, wie zum Beispiel das Versetzen von Werkstücken und der Einbau von Vierungen, anstehen. Auch der Domchor muss saniert und restauriert werden. Dieser älteste Teil des Kölner Domes besteht noch aus Trachyt vom Drachenfels. Die Restaurierung der Fenster nimmt ebenfalls großen Raum ein. Betrachten wir einmal die Fenster, die sich seitlich vom sogenannten Richterfenster, befinden – allein hierfür ist eine Fertigstellungszeit von zehn bis 15 Jahren anzusetzen.

Ihr seht, was den Untergang der Welt betrifft, können wir unbesorgt sein, denn wirklich fertig wird unser Dom nie.

Für mich persönlich wird immer nachvollziehbarer, wie wichtig es ist, das Wissen um diese Fertigkeiten, wie Herr Füssenich ja erwähnte, weitergeben zu können und wir drücken ganz fest die Daumen, dass dem Antrag bei der UNESCO die Eintragung in die internationale Liste des immateriellen Kulturerbes folgt. Entschieden wird darüber allerdings erst im November 2020.

Weitere Aufgaben werden die Erneuerung der Domumgebung sein, die Historische Mitte (Zusammenlegung des neuen Kurienhauses, Stadtmuseums und Verwaltungsgebäudes des Römisch-Germanischen Museums) und die Neugestaltung der nördlichen Domumgebung, sprich der Bahnhofsseite. Leider sei es notwendig, auch auf dieser Seite ein Schutzgitter vor den Domportalen, wie bereits auf der Südseite vorhanden, zu errichten, sagte Herr Füssenich, um den Dom vor Vandalismus zu schützen.

Und wo sind die Lieblingsplätze bzw. ist der Rückzugsort unseres Dombaumeisters? Die Frage ist etwas gemein, denn schön ist es in unserem Dom ja eigentlich überall. Dennoch gibt es auch für Peter Füssenich besondere Orte. Der eine sei das Innentriforium auf 20 Metern Höhe, sagte er, was ich sehr gut nachvollziehen kann, hat man doch von dort einen wunderbaren Blick in den Dom hinein und bekommt eine vage Ahnung von der wahren Dimension dieser Kathedrale.
Zum anderen seien es die Orte, an denen lange Zeit niemand gewesen sei, wo seit weit über 150 Jahren kein Gerüst mehr gestanden habe. Werde dann aber ein solches dort aufgebaut, sehe man, wie genau und detailgetreu die vorigen Generationen gearbeitet hätten. Als Rückzugsort nannte er den Vierungsturm. Dort oben herrsche eine wunderbare Ruhe.

Nach dem Interview wurde mir noch eine besondere Ehre zuteil. Auf meine Bitte hin ging Herr Füssenich direkt im Anschluss mit mir in den Dom und zeigte mir den mittelalterlichen Aufriss der Westfassade, auch „Riss F“ genannt. Dieser Plan hängt in der Johanneskapelle lichtgeschützt hinter einem grünen Vorhang, welcher nur selten geöffnet wird. Ich habe euch schon von diesem Plan berichtet, aber nun selbst davor zu stehen und diesen mit eigenen Augen sehen zu können, war ein Gefühl, das ich kaum mit Worten beschreiben kann, und wofür ich Herrn Füssenich mehr als dankbar bin, ebenso wie für die Beantwortung meiner Fragen.

Ich habe bei dieser Begegnung einen sehr herzlichen, freundlichen und fröhlichen Menschen kennenlernen dürfen, dem mein größter Respekt gilt.

Herzlichen Dank für diese schöne Begegnung, Herr Füssenich.

Köln, Dombaumeister Peter Füssenich
© Foto: Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte Köln, Jennifer Rumbach

(von Ramona Krippner)

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