Magister Gerardus

Magister Gerardus und der Kölner Dom

Seid gegrüßt, ihr Leute, Männer und Frauen. Mir wurde zugetragen, dass hier an diesem Orte schon von mir kundgetan wurde. Wer ich bin? Ich bin der, den ihr als Meister Gerhard genannt bekamt.

Aber wisset, dass es einiges mehr von mir zu erzählen gibt. Bevor ich den Auftrag zum Bau dieser Kathedrale, die größer als alle anderen werden sollte, erhielt, habe ich einiges erlebt, von dem ich euch nun berichten werde…

Mein Geburtsname ist Gerhard von Rile. Meine jüngeren Jahre widmete ich der Schulung meiner Fertigkeiten in Nordfrankreich. Ich erlernte den Beruf des Steinmetzes auf der Baustelle der Abteikirche von Saint-Denis. Mein Lehrmeister, Pierre de Montereau lehrte mich die Baukunst Stein um Stein. Ich war ehrgeizig, übte mich in mathematischen Berechnungen ebenso wie in meiner Ausbildung zum Steinmetz. Ich war ein exzellenter Schüler. So arbeitete ich während meiner Lehr- und Wanderjahre an den Kathedralen von Troyes oder Sainte Chapelle in Paris. Auch pflegte ich zum Austausche den Kontakt zu Jean de Chelles, der den Bau der Kathedrale Notre Dame in Paris leitete.

In kurzer Zeit hatte ich es zum Parlier gebracht, und stand somit den Maurern, Zimmerleuten und Steinmetzen als Leiter zuvor.
Davon, dass im weit entfernten Köln eine Kirche, nein, eine Kathedrale immensen Ausmaßes erbaut werden sollte, erfuhr ich nach dem Beschluss zu deren Bau vom Kölner Domkapitel. Nachdem ich mir in Frankreich bereits einen Namen gemacht hatte, wurde ich von Konrad von Hochstaden, dem Erzbischof, als Werkmeister nach Köln berufen.104834414_797769993961646_4592928985059600294_o

Bereits im Jahr darauf, am 15. August 1248 wurde durch von Hochstaden der Grundstein gelegt. So war es nun an mir. In meiner Verantwortung lag es, eine Kathedrale zu erschaffen, wie es sie noch nie gegeben hatte. Tag und Nacht saß ich über ausgebreiteten Pergamenten, berechnete, zeichnete, radierte, berechnete neu, bis alles so war, wie ich es wollte. Denn vor meinem geistigen Auge entstand ein Bauwerk, welches der gotischen Kathedrale von Amien in Nordfrankreich, die mir gut bekannt war, ähnelte, nur größer und prächtiger sollte sie werden. Ein Abbild des Himmels auf Erden. So setzte ich durch, dass auch die Kathedrale zu Köln in gotischer Bauart errichtet wurde und übernahm die Gewölbeform und Wandgliederung von Amien.

Offenbart sei euch, dass die Pläne einzig aus meiner Feder stammen, nicht aus Albertus Magnus‘, dies ist ein Irrglaube.

Nun war die Zeit gekommen. Gestein, Trachyt vom nahegelegenen Drachenfels wurde zur Baustelle geschafft und Steinmetze begannen, daraus Steine zu hauen und zu schleifen, damit die Maurer ihr Werk beginnen konnten. Zimmerleute bauten Gerüste, denn der Chor, das erste, was ich baute, wuchs und wuchs. Unzählige Handwerker gaben ihre ganze Kraft für den Bau dieser Kirche, meiner Kathedrale.

Die Domherren würdigten meine Verdienste, indem sie mir im Jahre 1257 Land bei meinem Haus in der Marzellenstraße überließen, um für mich, Frau und Kinder dort ein großes Steinhaus bauen zu können. Ich hatte es weit gebracht, Ehre und Ansehen als Dombaumeister erlangt. Manche glaubten, es müsse mit dem Teufel zugehen, weil der Bau so schnell voranschritt, denn im Jahre 1265 war der Kapellenkranz um den Chor bereits fertig.

So verging Jahr um Jahr, der Chor hatte schon eine Höhe von 20 Metern erreicht. Dann kam jene Nacht, der 25. April im Jahre 1271, in der ein Sturm tobte, wie ich ihn nie zuvor erlebt hatte. Von Sorge gepeinigt, ging ich des Nachts noch einmal zur Baustelle, um mit einer Laterne leuchtend nach dem Rechten zu sehen. Wind und Nässe erschwerten mir den Aufstieg auf dem Gerüst und als ich mich fast schon oben angekommen wähnte, rutschte ich auf der Leitersprosse aus und stürzte in die Tiefe.

Wird auch von einer Wette mit dem Leibhaftigen gemunkelt, die ich verloren haben soll und mich deshalb zu Tode stürzte, so muss ich euch enttäuschen. Ungeschick war’s, reines Unglück.

Wie es mit dem Bau des Doms zu Köln weiterging…nun, mein Geist ist dort, war dort und wird dort in alle Ewigkeiten verbleiben. Wer weiß, vielleicht hört ihr wieder von mir.

Euer Meister Gerhard

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