Kwartier Latäng

Kwartier Latäng

Wetten, ich sage einen Begriff und viele werden die Nase rümpfen? „Kwartier Latäng“ – Ich sage, „aber schön ist es doch“.

Ich glaube, das einzige, worüber man nicht streitet, ist die Herkunft des Namens „Kwartier Latäng“. Wir haben hier schlicht den Namen des Pariser Studentenviertels „Quartier Latin“ rustikal ins Kölsche übernommen und nur wenige brauchen die Hilfestellung „Neustadt Süd am Zülpicher Platz“.

Der ein oder andere folgt bestimmt der Ansicht der Seite „koeln.de“. Sie grenzt das Kwartier Latäng auf das Gebiet Zülpicher Straße, Moselstraße, Luxemburger Straße, Hohenstaufenring ein. Unbestritten, hier ist die Kneipendichte am höchsten und die Anarchie auf der Straße des Abends am größten. Das finde ich aber etwas kurz gegriffen. Aber von vorne:

Das Viertel ist recht jung im Verhältnis zur Kölner Geschichte. Bis 1880 sind hier ein paar Wege, Wiesen und sumpfiges Land. Köln reicht zu dieser Zeit hier ja gerade bis zum Hohenstaufenring, hinter dem die Stadtmauer aus dem Mittelalter hochwächst. Das Gelände liegt im unmittelbaren Schussfeld, so dass es hier keine festen Gebäude geben darf. Im Jahr 1881 entscheidet man sich um. Köln muss endlich über die Mauer hinaus wachsen, braucht auf Grund der Industrialisierung Platz. Die Mauer wird geschleift und die Stadt um dieses Gelände erweitert.

Das Gebiet um den heutigen Rathenauplatz liegt aber in einer Senke und ist sumpfig. Damit man es nicht aufwändig aufschütten muss, plant man hier zunächst einen großen Park. Wohnungen will man nur im Carré der heutigen Roon-, Mozart-, Beethoven und Engelberstraße bauen. Ein Park wiederum wird jetzt deswegen zu teuer, weil die Besitzer der Grundstücke verstehen, dass diese auf einmal etwas wert sind und die Preise treiben. Stadtbaumeister Stübben plant daher um. Der große Park, unser Volksgarten, entsteht weiter südlich und das neue Viertel bekommt „nur“ einen großen Festplatz, der auch für Volksversammlungen, das Aufstellen von Truppen und auch für den Karnevalszug genutzt werden kann. Der Platz ist übrigens etwas größer als der Neumarkt.

Getauft wird er „Königsplatz“, zu Ehren König Friedrich Wilhelms IV. Dieser soll gewürdigt werden, weil er die Vollendung des Domes unterstützt hat. Natürlich ist unter den Parteien heiß diskutiert, dass das nun etwas nüchtern ist, ihn nur „Königsplatz“ zu taufen. Aber am Ende siegen die praktischer Veranlagten, diesen Namen kann man sich einfach gut merken.

Wenn man jetzt weiß, dass der Platz ein Budget von 42.000 Reichsmark bekommt – das ist nicht mal ein Zehntel der Kosten des Volksparks – und die Anwohner des kurz vorher entstandenen Gebietes hinter der Roonstraße sich immer über den Gestank der „Dünggrube“ beschweren, weiß man auch, dass hier vielleicht etwas halbherzig eine Lösung geschaffen wird.

Aber selbst die Begrünung hilft nicht. Landen doch die Abwässer der Heinsbergstraße in einer Vertiefung des Parks… . Erst als 1899 die Synagoge an der Roonstraße gebaut wird, bessert sich das Ansehen des Platzes. Der Platz ist jetzt ein Schmuckstück, allerdings dunkel, zu schlecht beleuchtet, wie die Leute sagen. Ich glaube, da hat sich nicht viel geändert.

Auch der Name wird der politischen Situation angepasst. 1923 wird er nach dem 1922 ermordeten, jüdischen Demokraten Walther Rathenau benannt. In den 20er Jahren ist es dann aber auch wieder mit der Schmuckstück-Zeit vorbei. Für das Arbeitsamt wird hier eine Baracke errichtet, um die vielen Arbeitslosen verwalten zu können. Nur zur Verschönerung war er ja nicht gedacht.

1933 ist der Name „Rathenauplatz“ Vergangenheit. Für zwölf Jahre ist es der Horst-Wessels-Platz. Benannt nach dem SA-Führer, der mit dem „Horst-Wessels-Lied“ eine zweite Nationalhymne schafft und 1930 im Alter von 23 Jahren erschossen wird. – Direkt nach dem Krieg ist es wieder der Rathenauplatz.

Interessant ist, was nach dem Krieg passiert und vermutlich das Kwartier Latäng ermöglicht: Nach dem Bombenkrieg sind hier viele Wohnungen noch zu brauchen. Die Stadt konzentriert sich daher vor allem auf die stärker betroffenen Viertel. Das Kwartier Latäng steht nicht im Fokus des Interesses. Folglich werden die Wohnverhältnisse schlechter und Menschen ziehen ein, die günstigere Wohnungen oder Zimmer benötigen. Parallel wird ja die Universität, die ums Eck liegt, wieder hergerichtet und die Zahl der Studenten steigt stetig.

Aus dem Viertel wird ein bunter Vielvölkermix, mit Menschen, die oft nur kurze Zeit hier wohnen und wenig Sinn für ihre Umgebung haben. Das ist doch logisch. Eine direkte Verbundenheit mit dem Viertel kann doch so nicht entstehen. Aber selbstverständlich möchten diese Kurzzeit-Kölner auch soziale Kontakte und treffen sich in den Lokalen um die Ecke, von denen es immer mehr gibt. Konnte es anders kommen, als dass da eine Partymeile entsteht?

Natürlich gibt es auch die Alteingesessenen im Viertel, wie in jedem anderen Stadtteil auch. Denen ist das Viertel selbstverständlich nicht egal. Vor kurzem standen auf dem Rathenauplatz noch Container für Flüchtlinge. Der ganze Platz wirkte verwahrlost und der Geruch erinnerte an seinen Beginn. Wenn man heute guckt, wie der Platz aussieht, mit Toiletten, einem Café, direkt daneben Spielmöglichkeiten für Kinder und einem kleinen Bolzplatz im Käfig, einer Hundefreilauffläche und einem Bücherschrank, zeigen die Menschen in der Bürgergemeinschaft Rathenauplatz e.V. doch eindrucksvoll, wem dieses Viertel gehört, wer hier zuhause ist und bietet die Integration an. Das Viertel eben nur auf das in „koeln.de“ genannte Gebiet und diesen Gedanken zu beschränken, ist mir zu wenig.

Ach, und letztendlich, wie ich mit 22, als junger Mann auf diese Rheinseite ziehe, bin ich ja auch in einer 18-Quadratmeter-Wohnung am Hohenstaufenring angekommen und gehöre auch zu eben denen, die mit zwei Jahren nur kurz geblieben sind.

Mich zieht es des Öfteren abends noch hierhin. Aber auch tagsüber, weil es hier auch das ein oder andere Geschäft gibt und weil es ja doch schön ist, dieses Viertel, das bei der Stadt nicht so im Fokus steht, die Menschen aber dafür sorgen, dass es mehr ist als Kwartier Latäng.

Michael

Und hier findet ihr die Artikel am Ort des Geschehens: https://findpenguins.com/koelschgaenger

Wer wissen möchte, was die Bürger am Rathenauplatz so alles bewerkstelligen, der findet hier eine erste Anlaufstelle: https://rathenauplatz.de/

Die historischen Informationen zum Platz habe ich vor allem dem schönen Buch „Mer als nur Kwartier Latäng“ von Anne Sass, erschienen im Bachem Verlag unter ISBN 3-7616-1133-1 entnommen.

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