
Nun könnte man bei der Überschrift ja vermuten, ich hätte mich vertan. Denn schließlich heißt es doch Groß St. Martin. Oder? Heißt es auch. Aber eben auch Klein St. Martin, denn diese Kirche gibt es in groß und klein. Klingt verwirrend? Ein bisschen schon und dennoch bin ich mir sicher, ihr alle kennt den „kleinen Bruder“ Groß St. Martin’s, auch wenn heute nur noch der Turm übrig ist. Und der steht zwischen Pipinstraße und Augustinerstraße. Die Westseite des damaligen Kirchenschiffs wurde seinerzeit auf die alte römische Stadtmauer gebaut.
Auf wann der Ursprungsbau dieser Kirche datiert werden kann, weiß man nicht genau. Man vermutet die zweite Hälfte des 10. Jahrhunderts. Die ersten Eintragungen in den Schreinskarten aber stammen aus der Zeit zwischen 1130 bis 1140. Und eine erste urkundliche Erwähnung des Neubaus dieser Kirche soll es von 1172 bis 1176 gegeben haben, als die Krypta geweiht wurde (hierzu existieren verschiedene Zeitangaben).
Sehr bald, nachdem man damit begonnen hatte, die Kirchen in sogenannte Schreinskarten/Schreinsbücher einzutragen, was im Grunde unseren heutigen Grundbucheinträgen gleichkommt, gab man dieser Kirche, um sie von der Stiftskirche Groß St. Martin unterscheiden zu können, den Namen Klein St. Martin, denn diese Kirche war ebenso dem heiligen Martin geweiht.
Im 14. und 15. Jahrhundert erweiterte man Klein St. Martin zu einer hallenartigen, fünfschiffigen Kirche. Jetzt erhielt sie auch ihren Turm, jenes Überbleibsel, welches uns bis heute die Existenz dieser Kirche bezeugt.
Da die Pfarrgemeinden in Köln zu jener Zeit selbstbestimmter und stärker wurden, hatte auch Klein St. Martin das Recht, mitzuwählen, wer als Pfarrer denn dort eingesetzt werden sollte. Im Jahre 1317 bestand das Kollegium der Wahlmänner aus dreizehn Pfarrangehörigen, worunter sich auch einige Mitglieder der Overstolzenfamilie befanden. Der Name des vorgeschlagenen Pfarrers wurde der Äbtissin des benachbarten Stiftes St. Maria im Kapitol vorgelegt, und diese gab ihn dann an den Dompropst weiter.
Mitte des 16. Jahrhunderts schließlich erhielt unsere kleine Martinskirche, die ohnehin eine wertvolle Ausstattung vorzuweisen hatte, eine Orgel, die Vitus ten Bendt, ein Meister seines Fachs, geschaffen hatte.
Diese Kirche erfüllte so ihr Dasein, wie so viele andere Kirchen Kölns, über die Jahrhunderte. Bis…zu den Franzosen. Im Jahre 1802 kam die Säkularisation unter Napoleon. Kirchliche Institutionen wurden aufgelöst, deren Besitztümer verstaatlicht. Während der Aufhebung von Stiften und Klöstern wurde im Jahre 1803 die Kirche St. Maria im Kapitol der Pfarrgemeinde um Klein St. Martin zugeteilt. Deren Kirche wurde geschlossen, das Kirchenschiff wurde nun für weltliche Zwecke versteigert und 1824 abgerissen, da es inzwischen baufällig geworden war. Was für ein trauriges Ende…
Lediglich der Turm blieb stehen und diente weiterhin, wie bereits seit 1637, der Kirche St. Maria im Kapitol als Glockenturm, nachdem deren Westwerk eingestürzt war.
Heute ist der Glockenturm leer, denn alle sich bis dahin noch dort befindlichen Glocken, deren Geschichten hier den Rahmen sprengen würden, zerschmolzen im zweiten Weltkrieg, genauer gesagt 1942, während eines Feuers, in welchem der gesamte Turm ausbrannte. Als Teil des Kulturerbes des Kölner Rheinpanoramas baute man ihn wieder auf, allerdings setzte man ihm jetzt eine andere, niedrigere Spitze auf. Er fällt somit im Panorama heute kaum mehr auf.
Eine Location, das „1460“, welches in der Gewölbekapelle des Turms untergebracht ist, wird heute für Veranstaltungen aller Art, wie z. B. Hochzeitsfeiern genutzt. Über die Angemessenheit einer solchen Nutzung darf jeder gerne selbst entscheiden.
Für mich steht der Turm von Klein St. Martin eher als mahnendes
Beispiel für die Gier nach Macht und Geld, wie es uns Napoleon eindrücklich gezeigt hat, aber auch für ein wichtiges und schönes Stück Köln. Schön, dass es ihn noch gibt.
Bis bald, eure Ramona
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