
Wer kennt sie nicht, die Leute zu denen man höflich und freundlich ist, die einen aber ankotzen? Die feine Diplomatie ist ja keine ureigene kölsche Eigenschaft. Wir rühmen uns eher dafür, zu sagen, was wir denken. Das ist vielleicht nicht immer die beste Tugend, aber was dem Hermann Gryn passiert ist, wäre uns damit nicht passiert.
1262 ist der Rat der Stadt Köln durch Patrizierfamilien besetzt und Hermann Gryn ist ihr Bürgermeister. Erzbischof von Köln ist seit 1261 Engelbert II. von Falkenburg. Und wenn ihr meint, Don Camillo und Peppone seien unterhaltsam, dann hört Euch das an:
Engelbert II. geht gegen die Patrizier vor, um seine eigene Macht zu festigen. Im Verlauf des Jahres 1262 bricht der Konflikt noch offen aus, aber vorher begegnet man sich mit distanzierter Höflichkeit.
Die Sage erzählt, dass Engelbert in einem Hof des Domklosters, der von hohen Mauern umgeben ist, einen Löwen hält. Im Jahre 1262 ist dieses Tier eine Sensation. Jeder, der irgendwie kann, möchte diese Bestie sehen, die mit ihren Fängen das Fleisch von Männern spielend vom Knochen reißt und diese zermalmt, wie wir Hühnerknochen brechen.
Zwei Pfaffen denken sich, das sei die Gelegenheit, unseren Bürgermeister, Hermann Gryn, elegant los zu werden. Neugierig auf dieses Untier ist er selbstverständlich auch, keine Frage. So laden sie ihn zum gemeinsamen Abendessen ins Domkloster und Hermann Gryn nimmt an.
Als die Drei speisen, brüllte der Löwe bereits laut in seinem Hof. Kein Wunder, hat er doch seit Tagen nichts zu fressen bekommen. Gryn platzt bald vor Neugierde und fragt, ob er das Untier denn auch betrachten dürfe. Natürlich. Die beiden Pfaffen geleiten ihn zu einer Tür mit schweren Eisenbeschlägen und mächtigen Riegeln. Ganz wohl ist dem Bürgermeister nicht, als der eine die Riegel löst und die Tür aufzieht. Zu Recht, denn als sich die Tür öffnet, schmeißt sich der zweite Pfaffe mit Schwung gegen seinen Rücken, so dass Gryn in den Hof stolpert. – Rums! Die Tür ist zu!
So sieht er den zähnebleckenden, zum Sprung bereiten Löwen aus nächster Nähe. Näher als ihm lieb ist und er weiß, er hat nur eine Chance. Schnell nimmt er seinen Mantel und wickelt ihn um die Linke. Als Hermann Gryn sein Kurzschwert zieht, springt ihn der Löwe bereits an un verbeißt sich im Mantel. Vermutlich setzt Hermann jetzt den einen wichtigen Stich, der das Tier so schwächt, dass er den folgenden, kurzen aber heftigen Kampf für sich entscheidet. Hermann Gryn ist schwer verletzt, der Löwe aber tot. So wie die beiden Pfaffen, die am nächsten Tag an dem Querbalken der Pfaffenpforte baumeln.
Und genau diese Sage ist an unserem Rathaus abgebildet. Direkt vorne an der Rathauslaube. Gibt es eine schönere Sage, die die Wehrhaftigkeit des Rates beschreibt?
Ich werde sie weiter so erzählen, weil sie so schön spannend ist. Aber ob sie sich im Jahr 1262 so zugetragen hat? In einer Chronik findet sich der Name „Hermannus Greyn“, der zu dieser Zeit Bürgermeister war. Und dazu muss man wissen, dass Engelbert II. von Falkenburg einen Löwen in seinem Wappen führte. Er hatte zu dieser Zeit den nördlichen Kunibertsturm und den südlichen Bayenturm zu Zwingburgen ausgebaut und mit seinen Truppen besetzt.
Am 8. Juni 1262 vereinen sich Patrizier und Bürger und nehmen die Türme ein, werfen die ungeliebte Besetzung aus der Stadt und Engelbert II. muss sich ihrem Willen beugen.
Haben wir nicht seit Jahrhunderten tolle Ideen, kölsche Geschichte lebendig zu halten?
Michael
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