Erinnerungen an ein Büdchen

Büdchen-Kultur in Köln

Kennt ihr sie noch, die alten kleinen Büdchen? Diese wunderbaren kleinen immer vollgestopften Buden, meist aus Holz, bunt angemalt, mit den Zeitungsständern vor der Tür? Hier bekam man fast alles, Zeitungen und Getränke, klar, aber oft auch Nudeln oder Suppen in Dosen. Süßigkeiten, verpackt und was ein kleiner Traum für mich war, offene Süßigkeiten, die man sich zusammenstellen konnte.

Das war Ritual für uns Pänz, ein immer wiederkehrender Ablauf, falls wir mal zu etwas Geld gekommen waren. Mit zu Geld kommen meine ich 50 Pfennig, selten eine Mark. Dann ging es sofort ab zum Büdchen, der Verkäuferin, in meinem Fall ein altes, aber liebes und herzliches Mütterchen das Geld gegeben und dann hieß es „für 50 Pfennig gemischtes, bitte“.

Am Fenster standen Plastikboxen, in ihnen feinste Leckereien, Lakritzfische, Schleckmuscheln, Gummibären, Nappo, kleine Brauseherzen, Colaflaschen aus Weingummi und viele anderes Naschwerk. Nun wurde es schwer, es hieß, die 50 Pfennig möglichst gut anzulegen. Das wollte gut überlegt sein.

Währenddessen hat die alte Dame ein weißes Tütchen rausgekramt und wartete entspannt (noch) auf meine Entscheidung. Und das war schwer, 2 Nappo, für 20 Pfennige Gummibären, 4 Brauseherz-nein doch nicht, keine Brauseherzen, lieber 3 Colaflaschen. Dann die Frage “Für wieviel kann ich noch Frau Merzen?“ „20 Pfennig, Ronald“ Ok, 20 Pfennig und noch so viele Wünsche, das dauerte jetzt wieder und so ganz langsam wird die gute Frau ungeduldig.

„Jetzt nimmste noch 2 Lollis und ab, meinte sie und entschied das für mich, basta, aus. “Gab mir die Tüte und der kleine Ronald trottete selig davon. Was für glückliche Momente.IMG_20190715_165902

Ich glaube, damals hatte jedes Veedel solche Büdchen, sie waren Kulturgut, sozialer Raum im Veedel. Die Männer tranken hier ihr Feierabendbier, die Hausfrauen trafen sich zum Schwätzen, schließlich erfuhr man hier immer den neuesten Tratsch.

Und so ein Büdchen stand an der Ecke Kaiser-Wilhelm-Ring/Hermann-Becker Str.. Inhaber war Heinrich Reintges, er hatte die Bretterbude 1950 selbst gebaut und verkaufte hier rund 37 Jahre lang seine Waren, bis das Büdchen dann Umbaumaßnahmen weichen musste. Das Büdchen-Bild zum Beitrag ist natürlich ein anderes, es soll nur veranschaulichen, wie die alten Büdchen in etwa aussahen.

Nach dem Abriss 1997 kümmerte sich der Künstler Martin Mlecko um ein Andenken an dieses Büdchen. Er konnte die Allianz als Sponsor gewinnen und baute ein unauffälliges, kaum sichtbares Büdchen-Denkmal. Er legte die exakte Grundfläche, auf der das Büdchen stand mit Scherben aus venezianischem Glas aus, genau im gleichen dunkelgrün wie die Bretterbude es auch hatte.

Keine Ahnung ob gewollt oder Zufall, aber das grün der völlig verwitterten Bude war kaum zu erkennen und auch das grüne Denkmal ist kaum zu erkennen. Ebenso wie die etwas klein geratene Inschrift :

Martin Mlecko
(geb. 1951 in Essen)
Trinkhalle 1997
Dieses Glasmosaik erinnert an den von
Heinrich Reintges erbauten und betriebenen Kiosk,
der von 1960-1997 an dieser Stelle stand.
Geschenk der Allianz Versicherungs-Aktiengesellschaft

Es ist wie gesagt nichts Pompöses, aber dieses „Büdchen-Denkmal“ steht für viele kleine Büdchen, die für mich in jedes Veedel gehören, denn sie sind ein wichtiger Sozialer Raum für die Menschen. Einige dieser Büdchen gibt es ja noch. Lasst uns aufpassen, dass sie nie verschwinden, sie sind Reste einer immer mehr verschwindenden Kultur.IMG_20190715_165927

Ich jedenfalls werde jedes Mal, wenn ich eine dieser kleinen Bretterbuden sehe, für ein paar Sekunden an glückliche Augenblicke meiner Kindheit erinnert, und ich bin froh, dass es dieses Mosaik auf den Ringen gibt.

Euer Ronald

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.