
Der Platzjabbeck. Ehrlich jetzt, wer kennt ihn? Wer hat ihn je beachtet? Den Begriff, das weiß ich, kenne ich seit meiner Jugend. Das komische Wort ist aber von allein nicht erklärlich und ich habe mich nie gefragt, wer oder was es eigentlich ist.
Das ändert sich an dem Tag, als wir mit Arbeitskollegen die Treppe vom Rathaus zum Alter Markt runtergehen und Birgit über ihre rechte Schulter nach oben nickt und sagt „Und da ist der Platzjabbeck“. Ich schweige. Gedacht habe ich „Oha, das ist der Platzjabbeck?! Ach Gott, wie hässlich. Irgendwie sieht er aus wie Räuber Hotzenplotz. Was soll das? Der passt doch gar nicht zu dem Turm? Muss ich mal nachlesen.“ Hier das Ergebnis:
Das komische Wort „Platzjabbeck“ bedeutet sowas wie „aufgerissener Mund zum Platz“. Platz-jab-beck. Platz ist klar: Platz. „Jab“ kommt vom kölschen Verb „jappe“, was „gähnen“ oder „Mund / Maul aufreißen“ bedeutet. „Beck“ ist dem französischen entnommen „le bec“, bedeutet „Schnabel“. Mag sein, dass hier einer vom anderen abschreibt, aber mir klingt es schlüssig.
Nur warum hängt man aufgerissene Münder zum Platz? Ich bin eher Schöneres gewohnt.
Oft heißt es, er hinge da, um den Rat zu verspotten. Gut, spotten tut er. Aber den Rat? Am eigenen Rathaus? Nicht im Ernst…
Einige sagen, dass er eine Geschichte ausdrücken soll, in der Karl der Große sein Reich aufteilt. Er macht einen Folgsamkeitstest. Drei seiner Söhne stehen vor ihm und er befiehlt ihnen, die Augen zu schließen und die Münder weit zu öffnen. Zwei gehorchen und er legt ihnen Apfelstücke in den Mund. Es ist ein Symbol der Aufteilung des Reichsapfels an sie. Der dritte, wohl aus Respekt gegenüber den kaiserlichen Vater, kann sich nicht überwinden und hält den Mund geschlossen. Er geht leer aus.
Jetzt soll der Platzjabbek mit seinem aufgerissenen Maul nach dieser Geschichte aussagen, dass, wenn man im rechten Moment hört und unbescheiden zuschnappt, man an die Macht gelangt. Ehrlich? Das ist mir zu weit hergeholt.
Meine Lieblingserklärung ist: Es findet sich ein Beleg aus dem Jahr 1445, in welchem der Rat die Rechnung für diese Figur bezahlt. Nach Kölner Verhältnissen kurz vorher, im Jahr 1396, findet ein Machtwechsel statt. In dem Jahr übernahmen die Zünfte und Gaffeln die Macht im Rat. Vorher dominierten die Geschlechter, reiche Patrizierfamilien. Gut, man kann sich vorstellen, dass dies ein langer, erbittert geführter Machtkampf war: Tradition gegen Moderne, alte Machtstrukturen gegen aufstrebende Wirtschaftskraft. Der Ausgang ist damals lange ungewiss.
Und ich gehe auch davon aus, dass der Platzjabbeck, so grob und einfach dieser Männerkopf aussieht, schlicht die unterlegenen Patrizier der Stadt verspotten sollte, die jetzt eben vor dem Rathaus sind und nicht drin. Diese Theorie scheinen auch schlauere Köpfe als ich zu haben: seit 1913 streckt er stündlich seine Zunge heraus, der Platzjabbeck.
Diese spottende Geste ist Handwerkern und Kaufleuten doch eher zuzutrauen, als eine Erinnerung an Karl des Großen, oder?
Sicher wissen werden wir das wohl nie. Aber ich habe mir ein Bild gemacht. Danke, Birgit.
Michael
Habt Ihr heute gemerkt, wie die Schreibweise des Namens sich ändert? Diesmal habe ich mich mit dem anlautenden „g“ irgendwie schwer getan. Aber keiner, der kölsch spricht, käme doch auf die Idee das „g“ als solches zu sprechen, oder?
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