
Ich wohne ja im schönen Niehl, und immer wenn ich nach Nippes gehe, komme ich an der Niehler Straße an einem großen Quartier vorbei. Dort wird auch noch kräftig gebaut. Ob diese neuen „Wohnbunker“ jetzt schön sind oder nicht, sollen andere entscheiden. Ein Spaziergang um und in diesem neuen Wohngebiet lohnt sich allerdings. Mit dem Hintergedanken, des früheren Grau in Grau der alten Hallen und Gebäude ist es sehr spannend, die laufenden Veränderungen zu betrachten.
Früher waren hier die „Clouth Gummiwerke“ beheimatet, im Jahre 1868 von Franz Clouth gegründet. Und Clouth war nicht einfach irgendeine Firma, nein, hier wurde Kölner Industriegeschichte geschrieben, und zwar bis 2009. Mit der Verlegung des
letzten Clouth-Zweiges nach Bergheim war dann endgültig Schluss.
Von handwerklicher zur industriellen Fertigung
Die Firma um den Gründer Franz Clouth, war anfangs in der Kölner Altstadt beheimatet, so lauteten die Adresse von Firmensitz und Wohnort „Sternengasse 3“.
Die Sternengasse beherbergte ja viele bekannte Persönlichkeiten, dies könnt ihr in anderen Geschichten von uns nachlesen. 1868 dann zog die Firma nach Nippes auf ein größeres Gelände um. Hier auf dem riesigen Areal konnte sich Clouth viel besser
entwickeln, und dieser Standort sollte auch bis zum bitteren Ende die Heimat der Firma bleiben.
Clouth stellte jede Menge Artikel her, es musste nur aus Gummi sein, denn das war ihr Gebiet. Hier wurde damals erkannt, wie wichtig Kautschuk in der Industrie werden wird. So stellte sich das Familienunternehmen darauf ein und hatte unfassbaren Erfolg.
Die Reihe der hergestellten Waren ist immens lang. Dehnstopfen, Taucheranzüge, Hosenträger, Gummischuhe für Pferde, Flaschenverschlüsse, Laborbedarf, Gummiboote, Zelte und vieles mehr. Einige Artikel wurden auch nur aus der Not nach
den Kriegen hergestellt, denn eigentlich war die Firma auf besondere Produkte aus Spezialgummi eingerichtet.
Es wurde viel geforscht, getüftelt und eine ganze Reihe ihrer Erfindungen wurden patentiert. So war die robuste Verbindung von Gummi und Metall eines ihrer Erfolgsrezepte. Lange Zeit war Clouth mit vielen Produkten marktführend und
trendweisend. Egal ob Transportbänder, Walzenüberzüge, Gummikabel, Dichtungsplatten und unzählig viele Produkte mehr. Das Clouth Logo ging um die Welt und war geachtet, stand es doch für Innovation und Belastbarkeit.
Das Kölner Ei
Eine besondere Erfindung in der späten Phase des Betriebes war das sogenannte „Kölner Ei“. Dies wurde im Bereich der Vibrationstechnik für den U-Bahnbau entwickelt und ist bis heute im Betrieb.
Auszug aus Wikipedia:
„Das „Kölner Ei“ wurde erstmals 1978 auf der Strecke Ebertplatz – Lohsestraße eingebaut. Aufgrund der hervorragenden Ergebnisse (Körperschallreduzierung) wurde das „Kölner Ei“ kurze Zeit später auf 1500 Meter Länge im Gleis der KVB (Kölner Verkehrsbetriebe) eingebaut. Viele weitere Streckenabschnitte folgten. Der Einbau erfolgte überall dort, wo eine Schotterbettung für Gleise unerwünscht war, etwa bei Haltestellen. Die schalldämmende Erfindung wurde allein in Köln 30.000 mal installiert und ist weltweit im Einsatz.“
Zu Land, im Wasser und in der Luft
Clouth war in all diesen Elementen zuhause und sehr erfolgreich. Taucheranzüge und Tauchapparate wurden sogar in der Marine eingesetzt. So wurde vor einigen Jahren in der Ostsee in einem gesunkenen Kriegsschiff aus dem ersten Weltkrieg ein Clouth-Taucheranzug gefunden. Heute kann man diese in vielen Museen auf der ganzen Welt bestaunen.
Auch Graf Zeppelin und Clouth arbeiteten zusammen. Das „Luftschiff Clouth“ war in ganz Europa bekannt. Nahm es doch an internationalen Wettfahrten teil. Sogar in der Ballonfahrt war Clouth vertreten. Mehrere Ballons baute Clouth. Einer davon stürzte
leider 1953 im Siegerland ab. Damals starben tragischerweise alle Insassen.
Kabelfertigung
Die Kabelfertigung war ein ganz wichtiges Standbein. Gerade hier in Nippes. Egal ob Telefonkabel, Lichtkabel, Unterwasserkabel – alles stellte Clouth her. Später ging dieser Zweig an Felten &Guilleaume über.
So viel Geschichte
Die Geschichte dieser Firma ist absolut spannend und ein großes Stück Kölner Wirtschaftsgeschichte. Ich kann diese leider heute nur anreißen, alles zu erzählen würde den Rahmen sprengen.
Clouth Quartier
Jetzt ist die Geschichte der Firma seit 2009 hier in Nippes wirklich „Geschichte“. Die Stadt hat das Gelände irgendwann in ein Neubaugebiet umgewandelt.
Es entsteht momentan das sogenannte „Clouth Quartier“, und hier möchte ich einmal ein großes Lob aussprechen. Egal, ob einem die Bauten gefallen oder nicht, es wurde darauf geachtet, hier ein paar Gebäudeteile zu integrieren, ok, auch weil man musste, denn einiges steht unter Denkmalschutz. So wurde und wird noch die Vergangenheit dieses Geländes mit der Zukunft des Quartiers zusammengelegt.
Gerade an der Niehler Straße bleibt ein großes Mauerstück stehen und vor allem die Häuserfront mit ihren auffälligen Eingängen und dem Clouth Emblem bleiben erhalten und werden integriert. Die Firma hat in ihrer besten Zeit 2.200 Menschen hier Arbeit gegeben und das Stadtbild, sowie das Veedel wurden von ihr geprägt. So wird es auch weiterhin sein. Im Quartier entstehen etwa 1.200 Wohnungen und 500 Arbeitsplätze. In der ehemaligen Halle 17 wird sogar Gastronomie untergebracht.
Am Rande erzählt, der Inhaber kam damals regelmäßig zu Pferd in seine Fabrik geritten. Und zwar von der Sternengasse 3 aus. Später wohnte die Familie auf dem Betriebsgelände.
Wer also einmal einen kleinen Spaziergang durch den am Quartier anliegenden Park macht, dem sei ein kleiner Schlenker ins neue Clouth Quartier empfohlen, denn obwohl hier viel abgerissen und neu gebaut wurde, riecht es hier immer noch nach Kölner Industriegeschichte.
Euer Ronald