
Wir leben in einer Zeit, in der sich für die einen das meiste nur noch um Geld und Macht dreht, während andere sehen müssen, wie sie ihr Leben bestreiten. Eine nüchterne Welt, in der so manches, was früher einmal Bedeutung hatte, nicht mehr zählt, was die ganz Alten vielleicht noch wußten, wovon die Jungen heute aber nichts mehr hören wollen. Aber wer weiß schon, was es zwischen Himmel und Erde so alles gibt und was nicht? Vielleicht ist dem einen oder anderen von euch schonmal etwas widerfahren, wofür er keine logische Erklärung hatte?
So ähnlich ging es auch Berthel, einem jungen Burschen aus Köln. Aber bedenkt eines: in jeder Legende steckt ein Fünkchen Wahrheit…
Es geschah vor langer Zeit. Berthel führte nicht gerade ein sehr gottesfürchtiges Leben, was soviel bedeutete, dass er dem Genuss des Alkohols oft nicht widerstand. Wenn er wieder einmal an einem Abend bei einer Feier im Wirtshaus reichlich getrunken hatte, war am nächsten Morgen an den Besuch der heiligen Messe im Gotteshaus nicht zu denken. So auch an jenem Abend. Berthel hatte mit einigen anderen den Geburtstag eines Freundes gefeiert und begab sich nun, mehr schwankend als geradeaus gehend, auf den Heimweg. Verheiratet war er nicht, die Frau war es also nicht, die zuhause verärgert auf den Trunkenbold wartete, aber er fürchtete die Strafe des Pfarrers, wenn er wieder verschlief und es nicht zum Gottesdienst schaffte.
So in seine Gedanken versunken, stolperte Berthel weiter über den Marktplatz. Auf dem Hügel vor ihm lag die Kirche St. Maria im Kapitol, die sich nun düster im Nachtlicht abzeichnete. Doch was war das? So düster sah sie heute gar nicht aus…
Kerzenschein war zu sehen und auch der Klang von Orgel und Gesang war zu vernehmen. Seltsam. Höchst verwirrt blieb Berthel stehen. Noch nie hatte er einen Gottesdienst um diese Zeit erlebt. Schließlich ging es auf Mitternacht zu. Fast schon hielt er dies für einen Wink des Himmels, jetzt diese Messe zu besuchen, um am nächsten Morgen nicht aufstehen zu müssen.
Von diesem Gedanken beseelt, ging er rasch den Hügel hinauf, öffnete leise die Tür zur Kirche und ging hinein. Damit hatte er nun allerdings nicht gerechnet. Er fand gerade noch ein freies Plätzchen in der letzten Bank, denn die Messe war außerordentlich gut besucht. Durch den Alkohol müde geworden, musste er aufpassen, nicht einzuschlafen, während vorne vertraute Worte gesprochen wurden.
Ein seltsamer Geruch, eine Mischung aus feuchter, vermoderter Erde und Weihrauch drangen an ihn heran und langsam bekam er das Gefühl, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Aber was nur…was passierte hier? Warum kamen derart viele Menschen des Nachts in die Kirche?
Da plötzlich stieß ihn sein Banknachbar mit spitzem Ellbogen an: „Du musst jetzt gehen“. Berthel jedoch nahm das gar nicht ernst, erst wollte er schließlich noch den Segen abwarten. Aber eine leichte Furcht machte sich dennoch langsam breit. Kurz danach wieder: „Du musst jetzt wirklich gehen“. Diesmal klang die Aufforderung sehr einschüchternd und als Berthel dem Fremden ins Gesicht blickte, erschrak er fürchterlich. Das seltsame Gefühl, welches ihn während des gesamten Gottesdienstes begleitet hatte, wofür er jedoch keine Erklärung gefunden hatte, bestätigte sich jetzt, als er sah, dass die Gottesdienstbesucher allesamt im wahrsten Sinne des Wortes leichenblass waren. Auch sein Sitznachbar, welcher nun mit glühenden Augen und knochigem Zeigefinger zur Tür zeigte. Auch fiel Berthel jetzt erst auf, dass die Kleidung der Leute hier zerschlissen war und Jahrhunderte alt sein musste.
Ihn packte die nackte Angst. Wie vom Leibhaftigen persönlich gejagt, rannte er aus der Tür zur Kirche hinaus, gerade noch im rechten Moment. Denn als er sich noch einmal ganz kurz umdrehte, um sicherzugehen, dass er sich das alles nicht nur eingebildet hatte, löschte ein eisiger Luftzug die Kerzen in der Kirche und die Tür fiel mit einem gewaltigen Krachen ins Schloss.
Berthel machte in jener Nacht kein Auge zu. Bereits zur Frühmesse erschien er dann in der Kirche, und erzählte dem Pfarrer nach dem Gottesdienst, was er nachts erlebt hatte. Der Pfarrer offenbarte ihm, dass er großes Glück gehabt hatte. Denn Berthel war in eine der Geistermessen geraten, von denen man schon so manches mal gehört hatte. Und hätte er dank seines Banknachbarn die Kirche nicht rechtzeitig verlassen, wäre er mit all den Geistern auf ewig verschwunden.
Anstatt sich das eine Lehre sein zu lassen, führte Berthels erster Weg auf diesen Schreck hin direkt…ins nächste Wirtshaus.
Ihr Lieben, solltet ihr irgendwann nachts bzw. um Mitternacht von einer ausgelassenen Feier kommen und Licht in einer Kirche sehen, überlegt euch gut, ob ihr sie betreten wollt. Denn wie ich anfangs sagte: in jeder Legende steckt ein Fünkchen Wahrheit…
Bis bald, eure Ramona
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