Der Genoveva-Brunnen in Köln-Mülheim

Kölner Genoveva Brunnen

Jahrelang lief ich an ihm vorbei. Richtig verstanden, was er darstellt, habe ich in jüngeren Jahren nie. Es war mir auch egal. Heute ist das anders. Ich stehe davor und frage mich genau das: Was hat Genoveva eigentlich mit Köln zu tun?

Der Brunnen steht in einem kleinen Park. Der Park ist so klein, dass er nicht mal einen Namen trägt. Bei Ortsbeschreibungen lese ich immer „Grünanlage am Genoveva -Brunnen“. Ist das zu glauben? Solltet ihr gleich suchen, guckt in der Karte in das Karree Genovevastraße, Carl-Brisch-Straße, Viktor-Holstein-Straße und dem wilden Clevischen Ring – der schadstoffbelastetsten Straße Kölns. Und wenn mir kein Mülheimer sagt, dass der Park bereits einen Namen hat und der nur nirgends gedruckt ist, hey, dann ist es ab heute der Kölschgänger-Park. Ich stecke hiermit unsere Fahne in den Rasen.

Aber wer ist diese Genoveva überhaupt? Genoveva von Brabant ist Herzogentochter und Frau von Pfalzgraf Siegfried von Mayen. Sie muss um das Jahr 730 geboren worden sein. Ich tippe darauf, dass es leicht früher war, denn: Als Karl Martell, der berühmte fränkische Hausmeier und der Gründer der Karolinger-Dynastie, in die Schlacht von Poitiers in Frankreich gegen die sich ausbreitenden Sarazenen zieht, schreiben wir das Jahr 732. Diesem Feldzug schließt Siegfried sich an. Genoveva bleibt schwanger in der Heimat unter der Obhut seines Haushofmeisters Golo zurück. Sie kann also nicht erst zwei Jahre alt gewesen sein.

Und was will Golo? Logisch, Genoveva. Diese bleibt aber ihrem Mann treu, was Golo so ärgert, dass er sie nach Siegfrieds Rückkehr eines frei erfundenen Ehebruches bezichtigt. Spätestens seit der Geschichte von Katharina von Henot wissen wir, was das Wort einer Frau im Urteil eines Männer-Gerichtes zählt. Genoveva wird zum Tode verurteilt. Der Henker aber ahnt, dass sie unschuldig ist, weil er weiß, dass sie stets ehrfürchtig zu Maria betet und fromm lebt. Er hat einfach Mitleid und hilft ihr zu fliehen.

In den Wäldern der Ardennen findet sie Zuflucht. Die fromme, herzensgute Frau findet bald das Zutrauen der Tiere und sie gebiert hier Schmerzenreich, ihren Sohn. – Wahrscheinlich hatte sie die üblichen Schmerzen bei der Geburt, das Wort ist großgeschrieben und das Komma steht dahinter, weil sie ihm diesen Namen gibt. – Eine Hirschkuh hilft ihr, ihn zu ernähren, indem sie ihn säugt. Sie überlebt mit dieser Freundschaft der Tiere sechs Jahre in den Wäldern. Eines Tages trifft sie dann ihren Mann Siegfried, der sich auf einem Jagdausflug befindet, wieder. Er hatte in den sechs Jahren seinen Fehler erkannt und führt sie in Ehren zurück an den gemeinsamen Hof. Dort lebt sie, bis sie um das Jahr 760 stirbt.

Großartige Geschichte, was? Aber was hat sie mit Köln oder Mülheim zu tun? Ich muss gestehen, ich weiß es nicht. Und wie kommt jetzt der Brunnen dahin? Darauf habe ich mir einen Reim gemacht:

Die Geschichte der Heiligen Genoveva ist auch im 19. Jahrhundert noch sehr beliebt. Sie wird gern erzählt. Ich weiß, im 21. Jahrhundert kennt sie kaum einer mehr. Zudem macht die Industrialisierung die Stadt Mülheim wohlhabend und Wohlstand bedeutet auch den Wunsch nach schönen Dingen. Der Stadtverordnete Michael Laufenberg hat den Wunsch, diese kleine Parkanlage zu verschönern und gewinnt die Unternehmerwitwe Frau Martin dazu, einen Brunnen zu spendieren. Sie hat dafür freie Hand und darf das Motiv wählen. Offiziell weiß man nicht, warum sie sich 1914, kurz vor der Eingemeindung Mülheims nach Köln für diesen Brunnen entscheidet. Aber, hey, dahinter befindet sich seit 1909 der Bau des Lyzeums der „Städtischen Höheren Mädchenschule“, der später zum Genoveva-Gymnasium wird. Ich denke, sie wird sich gedacht haben, das Genoveva einfach ein Vorbild auch für diese Mädchen sein sollte. Interessante Wahl finde ich. Ich weiß ja nicht, ob Frauenrechtler diesem etwas abgewinnen können.

Jetzt ist es aber so, dass das Genoveva-Gymnasium sich stark um die Integration ausländischer Jugendlicher bemüht und hat unter anderem dafür im Jahr 2011 den Deutschen Schulpreis gewonnen. Eines der Ziele des „Genos“ ist, gerade auch unseren Neukölnern mit einem Abitur gute Zukunftsaussichten zu geben. Kann man nicht sagen, dass Genoveva an dieser Stelle recht modern ist? Ist ihre Geschichte nicht auch eine von Integration in eine ihr zunächst vollkommen unbekannte Umwelt?

Tja, und da die Historie Kölns seit 2000 Jahren auch eine der Integration ist, finde ich, dass ich sie gut mal hier bei Kölschgänger erzählen konnte.

Michael

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