
Das Oberländer-Brot kennen alle. Mir fällt keine Bäckerei in Köln ein, die es nicht im Regal hat. Euch? Heute schreibe einfach mal darüber, weil ich mal wieder einen kleinen Laib gekauft habe.
Mich hat das Oberländer schon das ganze Leben begleitet. Zuerst habe ich es häufig mit zur Schule als Pausenbrot bekommen. Später war einer meiner ersten Jobs der als Fahrer für die „Stadtbäckerei Otten“. Vormittags Brötchen, Teilchen und Brot in die Filialen liefern, das war meine Arbeit. Die Bäckerei gibt es nicht mehr, sie wurde in der Phase des schnellen Wachstums von Kamps übernommen.
Eine Erinnerung an diese Zeit, ist das Bild der Wand aus Brotkörben, die mich samstags am frühen Morgen gegen 4.00 Uhr empfing. Diese unglaublichen Mengen Brot, mit denen ich die Filialen von Mülheim oder am Wupperplatz beliefert habe, aber auch das Einkaufszentrum in Chorweiler oder auf der Marzellenstraße. Das Oberländer war mit großem Abstand am stärksten vertreten, überall.
Was mich betrifft, kann man auch sagen, dass das Oberländer ein Brot für alle Fälle ist. Wurst und Käse schmecken darauf genauso wie Honig oder Marmelade. Eintopf, Gulaschsuppe, strammer Max oder Salat gehen immer mit dem Brot.
Aber wie kamen wir zu ihm? Es heißt ja nicht „Kölner Brot“.
Das Oberländer kommt 1829 nach Köln. Das ist die frühe Zeit der preußischen Herrschaft. Köln ist zur der Zeit noch recht klein. Von den lange Zeit um die 40.000 Einwohnern, wächst es seit ungefähr 1810 bis 1830 auf 65.000 Einwohner an. Köln ist kurz vor dem Sprung zu einer großen Industriestadt.
Es ist eng – auch zu dieser Zeit. Die Arbeit ist das, was man Ausbeutung nennt. Die Löhne am Existenzminimum, Kinderarbeit die Regel – Kinderarbeit für Kinder ab vier Jahren, wohlgemerkt. Die Arbeitszeiten genauso lang wie die der Erwachsen, die im Extrem an die 17 Stunden heranreichen. Gut, die Pausen für Kinder waren länger – sie wurden für die Schule genutzt. Dafür war der Lohn auch halb so hoch. Aber was will man machen, wenn der Vater allein es nicht schafft, das Brot für die ganze Familie zu verdienen?
Diese Zustände gefallen dem preußischen Staat nicht. Dieser braucht kräftige Soldaten, die gesund sind. Eine Maßnahme des Jahres 1829 ist daher, den Brotpreis in Köln vorzuschreiben. Selbstverständlich gefällt das den Bäckern nicht. Sie brauchen einen höheren Preis – und streiken. Der Stadtrat ist aber pfiffig. Er muss sich ja überlegen, wie er mit dem teuren Brot, das er jetzt gegen gar kein Brot getauscht hat, die Bäuche voll bekommt und guckt ins Umland.
Fündig wird er in der Gegend um Neuwied, Andernach und Koblenz, eben dem Rheinischen Oberland. Zwar stellen die nicht das gewohnte Weizenbrot her, weil durch die Witterung die Bedingungen für den Anbau von Weizen nicht so gut sind. Aber sie mischen eben einen hohen Roggenanteil bei. Dieses Mischbrot hat eine harte Kruste und durch eine dünne Tinktur aus Stärke und Wasser glänzt es schick. Das beste aber ist, dass es dadurch nicht so schnell austrocknet und deswegen auch gut transportiert werden kann.
So legen im Jahr 1829 aus dem Oberland Schiffe mit diesem neuen Brot an. Es ist von Anfang an ein voller Erfolg, billig und den Kölnern schmeckt es ungemein gut. Der Streik der Bäcker verpufft so erfolglos. Sie backen lieber dieses Brot, das so begeistert aufgenommen wird, nach. Und sie tun es bis heute. Sie backen unser täglich Brot, das Oberländer. Guckt mal in die Regale.
Michael
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