Die zweite Grundsteinlegung

Die zweite Grundsteinlegung

Als ich neulich einen Spaziergang über Melaten gemacht habe, führte mich der Weg an zwei für mich besonderen Gräbern vorbei, ohne zu wissen, dass diese „zufällig“ an diesen beiden Plätzen liegen. Auf Melaten, bei ca. 56.000 Gräbern und einer Fläche von 435.000 Quadratmetern, ein Grab bewusst suchen zu wollen, erscheint mir recht aussichtslos, daher bezeichne ich es für mich als Glücksfall. Im ersten Grab liegt Sulpiz Boisserée begraben, im zweiten Ernst Friedrich Zwirner. Beide sind untrennbar mit der Vollendung des Domes zu Köln verbunden.

Ohne den einen, Sulpiz Boisserée, der, meinem Empfinden nach, viel zu selten in diesem Zusammenhang erwähnt wird, hätte es wahrscheinlich den endgültigen Anstoß zur Domvollendung niemals gegeben und ohne den anderen, Dombaumeister Ernst Friedrich Zwirner, würde unser Dom heute vielleicht nicht mehr stehen, denn die von ihm durchgesetzte Eisenkonstruktion des Dachstuhls hat dafür gesorgt, dass die zahlreichen Bomben im zweiten Weltkrieg das Dach des Domes nicht in Brand setzen konnten, was zum sicheren Einsturz geführt hätte.

Da ich mich viel mit der Geschichte unseres Domes beschäftige, hat es mich sehr berührt, vor den Gräbern dieser beiden bedeutenden Menschen zu stehen…

Wie verbunden in Köln vieles miteinander ist, habe ich beim Verlassen des Friedhofes festgestellt, als ich an einer kleinen Kapelle vorbeikam. Denn diese wurde im Jahre 1245, drei Jahre vor der ersten Grundsteinlegung des Kölner Domes durch Erzbischof Konrad von Hochstaden, ebenfalls von diesem geweiht. Das aber nur nebenbei.

Kommen wir zur zweiten Grundsteinlegung vom 4. September 1842 durch König Friedrich Wilhelm IV.

Am Südportal finden wir dazu eine im Jahr 1908 vom Dombau-Verein angebrachte Gedenktafel, die vom damaligen Dombaumeister Bernhard Hertel entworfen worden war. Ein Auszug der Rede, die König Wilhelm IV. zur Grundsteinlegung hielt, finde ich besonders bewegend:

„Der Dom zu Cöln, das bitte ich von Gott,
rage über diese Stadt,
rage über Deutschland,
über Zeiten,
reich an Menschenfrieden, reich an Gottesfrieden
bis an das Ende der Tage“.

Gehen wir nun 100 Jahre zurück…

Ich erwähnte, dass Sulpiz Boisserée in Zusammenhang mit der Vollendung des Kölner Domes zu selten erwähnt wird. Letztlich aber haben wir ihm den Weiterbau zu verdanken. Er war der erste Förderer der Domvollendung. Er, der das Kaufmannshandwerk erlernt hatte, diesen Beruf aber aufgab, um sich einem Kunststudium zu widmen und dessen Lebensaufgabe zuerst die Sammlung altdeutscher Gemälde war, hatte im Jahre 1808 eine Vision…
…eine Vision, die zu einer weiteren Lebensaufgabe wurde, nämlich die Vollendung des Kölner Domes. Und er begann trotz ungewissen Ausgangs seines Vorhabens mit den Vorbereitungen. Selbst an den Ausmessungen des Domes beteiligte er sich, schrieb Gedanken nieder, zeichnete Risse. Sein Werk „Ansichten, Risse und einzelne Teile des Domes von Köln“ aus demselben Jahr existiert heute noch immer als neue Herausgabe des Kölner Domes von 1979. Die Kosten hierfür liegen allerdings im günstigsten Fall bei knapp 500 Euro.

Die von ihm und ihm helfender Kapazitäten gefertigten Grundrisse legte er schon zwei Jahre später Johann Wolfgang von Goethe vor. Diese Autorität musste er überzeugen, um seinen Plan umsetzen zu können, denn davon hing ab, ob die kulturellen Kreise ihn unterstützen würden. Goethe zweifelte zuerst, da er keinen Gefallen an der Gotik fand, dennoch konnte Boisserée Hofrath Goethe für seinen Plan gewinnen und durch dessen Einfluss bei Hofe dort auch seine Zeichnungen vorstellen. Das schwerste war überstanden…und Boisserée hatte sich mit Goethes Hilfe einen Namen machen können.

Im Jahre 1814 dann die Sensation. Georg Moller, ein Freund Boisserée’s, fand in Darmstadt auf dem Speicher eines Gasthauses eine Hälfte des Planes der Westfassade, sprich, der beiden Türme. Nicht wissend, was man dort in Händen hielt, wurde diese zum Bohnentrocknen genutzt. Boisserée konnte 1815 dann durch seine Beziehungen zu den in Paris ansässigen Kunsthändlern die andere Hälfte ausfindig machen. Zufall? Nein, wohl eher „höherer Wille“.

Im Jahre 1813 wurde zudem der preußische, damals noch Kronprinz, Friedrich Wilhelm einer der wichtigsten Unterstützer im Gedanken an die Domvollendung. Und dennoch dauerte es weitere 30 Jahre, bis die Arbeiten zum Weiterbau wieder aufgenommen werden sollten. Eben an jenem 4. September 1842 mit der zweiten Grundsteinlegung.

Wenn ich nächstes Mal auf Melaten bin, werde ich wieder die beiden Gräber besuchen und mich im Stillen bei diesen beiden Menschen bedanken. Für alles, was sie für uns, für Köln und unseren Dom getan haben.

Bis bald, eure Ramona

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Wen das Leben des Sulpiz Boisserée weiter interessiert, dem lege ich das Buch:
„Sulpiz Boisserée und die Vollendung des Kölner Domes“, erschienen bei Books on Demand, ISBN: 9783739235172 ans Herz.

(von Ramona Krippner)

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