Der Werwolf vom Eigelstein

Der Werwolf vom Eigelstein
Der Werwolf vom Eigelstein
Heute möchte ich eine alte Kölner Legende „ausgraben“ und euch diese erzählen. Wie die Überschrift ja bereits verrät, geht es um einen Werwolf. Nun, wir kennen alle die üblichen Werwolf-Geschichten aus Filmen und Büchern, aber früher haben die Menschen tatsächlich daran geglaubt und im Mittelalter gab es nicht nur Hexenverbrennungen, sondern in fast ganz Europa auch Werwolfprozesse.
Beispiele gefällig? Da gibt es eine Geschichte aus dem frühen 17. Jahrhundert, der Hirte Johann Huke, ein Tierarzt, der gerne etwas dazuverdiente, indem er Tiere schützte, oder wie wir es heute nennen würden, bewachte. Einmal wurde allerdings ein Schaf gerissen und er wurde bezichtigt, ein Werwolf zu sein. So etwas ging damals schnell, ähnlich der Hexengeschichten. Warf man dir so etwas vor, war dein Leben nichts mehr wert. Huke wurde damals auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Sehr bekannt ist auch die Geschichte des Peter Stubbe, auch Stüpp genannt, bei Bedburg. Er soll 13 Kinder umgebracht haben und sich an Mädchen vergangen haben. Dieser wurde mit seinem Weib und seinem Kind hingerichtet. In der Bedburger Gegend nennen sie den Werwolf manchmal heute noch „Stüpp“.
Mit diesem Wissen fühlt sich unsere Geschichte schon nicht mehr so nach „Hollywood-Fantasie“ an, oder? Und nun lasst euch berichten vom Werwolf am Eigelstein… Es ist schon sehr lange her, da lebte am Eigelstein ein Bauer mit seiner Tochter. Er kümmerte sich hervorragend um das Mädchen und tat alles für sie. Trotzdem gingen ihm die Menschen rund um den Eigelstein aus dem Weg, ja, man kann sagen, er war ihnen unheimlich und nicht wenige hatten Angst vor ihm. Er galt als wortkarg und missmutig, niemand hatte ihn je lachen oder wenigstens lächeln sehen. Seine Augen und sein „harter“ Blick ließen schon lange das Gerücht aufkommen, er habe das „zweite Gesicht“. Wer ihm begegnete, versuchte ihm aus dem Weg zu gehen oder ging mit gesenktem Blick an ihm vorbei. Niemand wagte es, ihn anzuschauen.
Dieser Mann besaß etwas abseits einen kleinen Hof und vor dem Eigelstein ein Stückchen Land, welches er mit seiner Tochter bewirtschaftete. Manchmal sahen die Menschen die beiden dort auf dem Feld arbeiten. So war es auch heute. Beide gingen wortlos ihrer Arbeit nach, eigentlich wie immer…und doch war heute irgendetwas anders, das spürte das Mädchen. Es sah auf, putzte sich ihre Hände an der Schürze ab und beobachtete verstohlen ihren Vater. Dieser war heute sehr unruhig und fahrig und irgendwie beschlich sie ein komisches Gefühl, während sie zu ihm hinüber schaute. Dann warf er plötzlich seine Hacke weg und kam zu ihr herüber gestampft. Verstört und wirr sah er sie an und sagte ihr, er müsse gleich für eine Weile fort, in den ans Feld grenzenden Wald, und sie solle gut aufpassen. Sollte sich ihr ein böser Hund nähern, brauche sie nur ihre Schürze abstreifen und diese dem Tier entgegenwerfen. Die Tochter verstand das alles nicht recht, und während sie noch über das Gesagte nachdachte, verschwand ihr Vater bereits im Unterholz. Aber ihr war sein verwirrter und gehetzter Blick aufgefallen. Was hatte das alles zu bedeuten?
Wollte ihr Vater sich etwa ein Leid antun? Gerade war sie im Begriff, ihm ins Unterholz nachzulaufen als ein riesiger grauer Wolf mit leuchtend gelben Augen aus diesem trat. Dieser schaute zu ihr herüber und begann laut und bedrohlich zu heulen. Dann kam er auf sie zu, er war jetzt nicht mehr allzu weit entfernt. Das Mädchen stand wie gelähmt da und erst in letzter Sekunde, der Wolf hatte sie fast erreicht, aus seinen Lefzen tropfte der Speichel, riss das Mädchen sich die Schürze vom Leib und warf diese dem Wolf entgegen. Der Wolf fing die Schürze mit dem Maul auf, zerfetzte diese wie von Sinnen, danach verschwand er wieder im Unterholz. Für die Kleine war das alles zu viel, fast wahnsinnig vor Angst verlor sie das Bewusstsein und wurde ohnmächtig.
Dann, als sie wieder zu sich kam, sah sie das sorgenvolle und angstverzerrte Gesicht ihres Vaters über sich…und aus seinem Mund hing ein Fetzen ihrer Schürze. Nun begriff sie. Ihr Vater war ein Werwolf. Sie schlug die Hände vors Gesicht und begann zu weinen.
Als die Kleine sich etwas beruhigt hatte, setzte sich ihr Vater neben sie. Er schien um Jahre gealtert und machte auf einmal einen gebrechlichen Eindruck. Und dann erzählte er ihr alles…dass er ein Werwolf sei, bei Vollmond die Kontrolle über sich verlor, er berichtete von schmerzhafter Verwandlung, davon, dass er wie von Sinnen durch die Gegend streife und alles riss, was ihm begegnete. Und nun hätte er fast sein eigenes Kind getötet.
Er stand auf und mit traurigem Blick verabschiedete er sich von ihr, sagte, er wüsste sich keinen anderen Rat, als sich das Leben zu nehmen. Er streichelte ihr noch einmal zärtlich über das Gesicht, drehte sich dann um und verschwand im Wald.
Die Tochter aber betete fortan jeden Tag für ihren Vater. Sie bat den Herrgott um Gnade für ihn, bat um einen schmerzfreien, leichten Tod für ihn und versprach, sollte dieses eintreffen, als Nonne ins Kloster zu gehen.
Einige Wochen nach diesem Vorfall wurde ihr berichtet, man hätte ihren Vater tot unten am Rhein gefunden, er hätte dort mit gütigem Blick gelegen und es sähe aus, als wäre er friedlich eingeschlafen. Die Tochter war nun glücklich, sie hielt ihr Gelübde und lebte fortan vor den Toren Kölns als Nonne in einem Kloster.
Das war die Geschichte vom Werwolf vom Eigelstein. Vielleicht hat sie euch ja gefallen. Nun möchte ich euch noch kurz zwei Bücher ans Herz legen, die mich inspiriert haben, diese Geschichte zu erzählen.
„Der Werwolf von Köln“ von Myriane Angelowski, sowie das wunderbare Buch „Kölner Sagen“ von Goswin Peter Gath, auch „Schang vum Vugelsang“ genannt. In Ehrenfeld wurde übrigens sogar eine Straße nach ihm benannt, denn er schrieb viele alte Sagen auf und erhielt diese für die Nachwelt. Er liegt auf Melaten begraben.
Bleibt neugierig und aufmerksam
Euer Ronald

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